Stadtrat:München soll fünf "Pop-up-Bike-Lanes" bekommen

Stadtrat: Beispielhaft: In der Zweibrückenstraße war eine der beiden Fahrspuren in Richtung Isartor mit Hütchen abgetrennt und nur noch von Radfahrern zu benutzen - eine Demonstration des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC).

Beispielhaft: In der Zweibrückenstraße war eine der beiden Fahrspuren in Richtung Isartor mit Hütchen abgetrennt und nur noch von Radfahrern zu benutzen - eine Demonstration des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC).

(Foto: Robert Haas)

Die Corona-Krise löst eine kleine Revolution in der Verkehrspolitik aus. Auf fünf größeren Straßen soll eine Autospur gesperrt und für Fahrradfahrer reserviert werden - darüber entscheiden nächste Woche die Stadträte.

Von Kassian Stroh

Für eine Stunde war die Zukunft schon einmal zu besichtigen in der Zweibrückenstraße. Gut 100 Meter lang, etwa drei Meter breit: Eine der beiden Fahrspuren in Richtung Isartor war mit Hütchen abgetrennt und nur noch von Radfahrern zu benutzen. Was am Mittwoch nur eine Demonstration des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) war, wird schon bald an mehreren Stellen in München Wirklichkeit: Kommenden Mittwoch berät der Stadtrat über den Vorschlag des Planungsreferats, an fünf Straßen solche Radwege einzurichten und dafür jeweils eine Autospur zu opfern - provisorisch bis zum Herbst. Eine Mehrheit gilt als sicher: Grüne und SPD, die im Stadtrat die Mehrheit haben, haben das Projekt vorangetrieben, das nun auch die Verwaltung unterstützt - trotz aller Probleme, die sich bei der Umsetzung noch ergeben werden.

Knapp zehn Straßen waren zuletzt noch in der engeren Wahl, so ist zu hören. Fünf werden in der Beschlussvorlage auftauchen. Welche das sind, darüber schweigt das Planungsreferat; die Vorlage sei noch nicht ganz fertig, hieß es am Mittwoch. Klar ist aber, wie kundige Menschen berichten: Die Elisenstraße wird dabei sein und auch die Zweibrückenstraße, zwischen Isartor und Isar, in beiden Richtungen. An allen Stellen, die die Stadträte billigen, wird binnen der nächsten Wochen eine Autospur gelb angestrichen und so zum Radweg. Wenn es dort bereits einen Radweg gibt, kann dieser zum Bürgersteig werden, das soll im Einzelfall entschieden werden. Umgebaut wird nichts, so lassen sich die neuen Radwege verhältnismäßig schnell und billig realisieren.

Es ist die Corona-Krise, die diese kleine Revolution in der Münchner Verkehrspolitik auslöst. Fahrradlobbyisten wie der ADFC oder der Bund Naturschutz plädieren seit Wochen dafür, in Städten zumindest kurzfristig mehr Platz für Radfahrer zu schaffen. Aus zwei Gründen: Zum einen sollen auch sie einen Mindestabstand von 1,50 Meter einhalten, um die Infektionsgefahr zu reduzieren. Das ist vielerorts kaum zu schaffen. Entlang der Zweibrückenstraße etwa sei der Radweg an manchen Stellen nicht einmal die gesetzlich vorgeschriebenen 1,60 Meter breit, wie Andreas Groh vom ADFC München sagt.

Zum anderen hat der Radverkehr zuletzt deutlich zugenommen, viele Münchner haben die öffentlichen Verkehrsmittel gemieden. Im April zählte die Stadt, verglichen mit April 2019, etwa 20 Prozent mehr Radfahrer - obwohl keine Schüler und Studenten unterwegs waren und viele Münchner daheim im Home-Office blieben. An Ampeln habe man oft sehen können, wie sich wartende Radler ballten, während nebenan auf der Straße kaum was los war, sagt Groh. All diese Fahrradfahrer also brauchen mehr Platz - auch weil man die, die sich Pandemie-bedingt entschlossen hätten, aufs Rad umzusteigen, "nicht gleich wieder verlieren" will, wie Grünen-Stadtrat Paul Bickelbacher sagt. Der städtische Radverkehrsbeauftragte Florian Paul spricht von "Handlungsdruck".

Dementsprechend sind autofreie Zonen und temporäre Radwege derzeit ein großes Thema in vielen europäischen Städten. In Berlin etwa gibt es erste "Pop-up-Bike-Lanes" seit einigen Wochen. Dort aber sei die Situation einfacher als in München, weil die in Frage kommenden Straßen viel breiter seien, sagt Paul. Ein Problem sind auch Taxistände, Bushaltestellen oder Parkplätze am Rand. Sollen die weiter angefahren werden, kann die Stadt die neue Fahrradspur auf der Straße nur farbig markieren, nicht aber mit Baken beispielsweise von den Autos abgrenzen. "So ein Schutz wäre wünschenswert, braucht aber auch mehr Platz", sagt Paul. Und lasse sich eben nicht überall realisieren.

Bis Oktober will die Stadt schauen, wie die Neuerungen angenommen werden

Die Leopold- und die Nymphenburger Straße wurden aus diesen Gründen als Orte für einen temporären Radweg wieder fallengelassen. Auch an der Lindwurmstraße lasse sich ohne größere bauliche Veränderungen nichts machen, sagt Paul. Bei der Zweibrückenstraße hingegen geht das relativ einfach - da hat der Stadtrat ohnehin schon beschlossen, dass je eine Fahrspur pro Richtung dauerhaft zum Radweg werden soll. Sonst aber sind die neuen Pop-up-Radwege als temporäre Einrichtungen gedacht: Bis Oktober will die Stadt, womöglich unter wissenschaftlicher Begleitung, schauen, wie sie angenommen werden, und dann entscheiden, wie es weitergeht.

Dass diese Idee nun realisiert wird, liegt auch daran, dass im Rathaus eine neue Mehrheit von Grünen und SPD regiert. Letztere hatte bereits im April im Stadtrat beantragt, in Corona-Zeiten Radlern mehr Platz zu geben; die Grünen zogen Anfang Mai nach. Dieses Projekt passt zu den Zielen des Münchner Radentscheids, den umzusetzen Grüne und SPD vereinbart haben. Das macht die Sache aber auch komplizierter - denn das soll langfristig im Dialog mit allen Betroffenen passieren. Zu den Pop-up-Bike-Lanes sagt der SPD-Stadtrat Andreas Schuster deshalb: "Es soll schnell helfen, aber die Menschen nicht verschrecken - in diesem Dilemma stecken wir." Aus diesem Grund plädiert auch sein Grünen-Kollege Bickelbacher für Stellen, bei denen die Eingriffe "nicht ganz so gravierend" seien: "Wir machen das nicht, wenn gleich 120 Stellplätze wegfallen."

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