Zwischen den Zahlen:Arme Schweine

Wurst kaufen ist wie tanken, meint Aldi - weil die Preise für Rohstoffe schwanken. Für den Menschen ist das Schwein also so etwas wie Öl. Eine Sauerei.

Von Michael Kläsgen

Das Schwein hat es unter den Menschen nie besonders leicht gehabt, obwohl sich beide genetisch so ähnlich sind. Das Schwein darf zwar menschliche Organe in sich tragen, wenn der Mensch sie zur Transplantation züchten will. Es darf auch als Namensgeber für allerlei Verbalinjurien herhalten, wahlweise als armes Schwein oder dumme Sau. Aber die ihm dafür gebührende Wertschätzung hat es nie erfahren. Das Schwein bleibt für den Menschen ein anonymes Nutztier oder gar nur ein Rohstoff, lebend vielleicht, aber im Grunde doch nichts anderes als Weizen, Nickel oder Rohöl. Das zeigt nun einmal mehr die Diskussion um Aldis Wurstpreise. Der Discounter will sie senken, und zwar erheblich. Denn der Preis für Schweinefleisch ist eingebrochen.

Während des Shutdowns von Kantinen und Gaststätten hat die Fleischindustrie fleißig weiterproduziert. Jetzt gibt es Schwein im Überangebot und verfallene Preise, die der Discounter an seine Kunden weitergeben will. Das Ansinnen steht ziemlich schräg zur derzeitigen öffentlichen Debatte über Billigarbeiter, die unter erbärmlichen Bedingungen schuften, damit das Volk der Griller und Schwenker weiter Billigfleisch verzehren kann. Die Aufregung ist entsprechend groß - allerdings auch auf Seiten der Fleischindustrie. Ausgerechnet! Aldi zündele an einem Pulverfass, raunt eine Verbandssprecherin. Darin ist wiederum recht durchsichtig das Unterfangen zu erkennen, trotz mieser Arbeitsbedingungen und Preisverfalls in den Verhandlungen mit Aldi hohe Verkaufspreise zu erzielen.

Aldis Argumentation wird dadurch allerdings nicht besser. Der Discounter meint, es sei alles in bester Ordnung. Es gehe hier ja nicht um Frischfleisch, sondern "nur" um Wurstware. Und deren Preis richte sich eh und je nach dem Markt. Es sei wie beim Rohöl. Gehen da die Preise in den Keller, sänken auch die Benzinpreise. Dieses Schwanken der Angebotsmenge und des Marktpreises bezeichnen Ökonomen übrigens als Schweinezyklus. Im Grunde ist schon dieser Begriff eine Sauerei.

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