Erwachsenenbildung im Landkreis Ebersberg:Die Volkshochschulen fühlen sich allein gelassen

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Auch das Kreisbildungswerk im Landkreis leidet nach wie vor stark unter der Krise. Die Bildungseinrichtungen fordern eine konkrete Perspektive für ihre Planung sowie finanzielle Unterstützung

Von Anja Blum

Die Kommunen haben den Volkshochschulen bereits Räume angeboten, hier der Unterbräu-Saal in Markt Schwaben. (Foto: privat)

Die beiden Volkshochschulen im Landkreis schlagen Alarm: Ihre Situation verschärft sich zunehmend, da sie nach wie vor nicht wissen, wie es mit ihnen weitergehen soll. Wenn nicht bald - das heißt: in den kommenden Tagen - eine Entscheidung falle, wann Präsenzbetrieb wieder möglich ist, könne man wahrscheinlich in diesem Semester gar nicht mehr an den Start gehen. "Wir brauchen dringend einen Zeitplan, eine Perspektive", sagt Martina Eglauer, Chefin der Ebersberger VHS. Und ihr Vaterstettener Kollege Helmut Ertel ergänzt: "Wir können es langsam nicht mehr nachvollziehen, dass wir immer noch kalt gestellt sind. Das gesamte Team und unsere Dozenten warten auf einen Neustart."

Doch die Erwachsenenbildung hat bislang noch keine konkrete Öffnungsperspektive. Der Präsenzunterricht ist noch bis Freitag, 29. Mai, untersagt. Davon betroffen ist im Landkreis Ebersberg auch das Katholische Kreisbildungswerk. Alle drei Einrichtungen haben unter enormen Anstrengungen und mit großem Engagement innerhalb kürzester Zeit Onlineprogramme auf die Beine gestellt, die auf großes Interesse stoßen und viele positive Rückmeldungen hervorrufen. Diese digitalen Angebote könnten die Präsenzkurse jedoch nicht ersetzen, da ist man sich einig.

Schulen und Biergärten öffnen wieder - nur die VHS hat keine Perspektive

Es gehe hier nicht um eine vorschnelle, möglicherweise riskante Öffnung, betont Eglauer, man nehme den Schutz vor der Pandemie sehr ernst. Zumal 30 Prozent der Kursteilnehmer älter als 65 Jahre seien - und damit zu einer Risikogruppe gehören. Doch angesichts der allgemein voranschreitenden Lockerungen, so Eglauer, sei sie "fassungslos". Von den Schulen über Geschäfte und Friseure bis hin zu Biergärten: In vielen Bereichen sei ein Betrieb unter Auflagen möglich - "und wir haben noch nicht einmal eine konkrete Perspektive!" Dabei seien auch die Volkshochschulen durchaus in der Lage, strikte Hygiene- und Sicherheitsvorgaben umzusetzen, sagt Ertel. "Allein: Wir dürfen nicht." Die Frage sei nun, warum nicht. "Hat man uns vergessen? Ist die Erwachsenenbildung wirklich so gefährlich? Oder ihr Stellenwert so gering?"

Die Ebersberger VHS-Chefin Martina Eglauer. (Foto: Christian Endt)

Auch die Teilnehmenden sowie die Kursleitungen könnten die aktuelle Situation nicht mehr nachvollziehen. "Täglich erreichen uns Anfragen. Das Bildungsbedürfnis ist da. Die Menschen wollen sich wieder begegnen - natürlich unter Einhaltung der gebotenen Abstandsregeln", so Eglauer. Deshalb habe sie auch noch nicht, wie mancher Kollege, bereits selbst die Reißleine gezogen. "Es gibt einige Volkshochschulen, die dieses Semester aufgrund der Ungewissheit schon komplett abgeschrieben haben." Das möchte man in Ebersberg und Vaterstetten verhindern.

Die Einrichtungen brauchen eine gewisse Vorlaufzeit

Helmut Ertel leitet die VHS in Vaterstetten. (Foto: Christian Endt)

Um die Wiederaufnahme des Präsenzbetriebes organisieren zu können, brauchen die Einrichtungen der Erwachsenenbildung jedoch einen gewissen Vorlauf. Vor allem der erhöhte Raumbedarf müsste abgeklärt werden, da die Kurse ja nicht in den bisherigen Gruppengrößen stattfinden können. Deshalb wäre man auf zusätzliche Flächen anderer Träger angewiesen. "Vonseiten der Kommunen erfahren wir große Unterstützung", berichtet Eglauer.

Man dürfe etwa den Saal im Unterbräu in Markt Schwaben nutzen und auch den Raum "Unterm First" im Ebersberger Klosterbauhof. Hier wäre der Unterricht unter Einhaltung der Abstandsregelungen gut zu organisieren. "Auch der Landrat hat uns die Nutzung von Räumlichkeiten an den weiterführenden Schulen zugesagt. Wir brauchen nur noch grünes Licht von der Staatsregierung." Denn detaillierte Planungen als Schuss ins Blaue hinein - das könne nicht die Lösung sein. Aktuell hoffen die Volkshochschulen im Landkreis auf einen Neustart im Anschluss an die Pfingstferien, sprich Mitte Juni. "Deshalb drängt jetzt wirklich die Zeit."

Ertel und Eglauer sehen den Freistaat in der Verantwortung, schließlich sei die Erwachsenenbildung als "eigenständiger, gleichberechtigter Hauptbereich des Bildungswesens" im Gesetz verankert. Deshalb müsse sie auch finanziell abgefangen werden: Es brauche Unterstützung in Form einen Rettungsschirmes für die enormen Einnahmenausfälle in der Erwachsenenbildung. "Wir als Volkshochschulen finanzieren uns zum Großteil über die Gebühren der Teilnehmerinnen und Teilnehmer - die nun eben weggebrochen sind", so Eglauer. Und selbst wenn wieder Präsenzbetrieb möglich sei, so rissen die Kurse in Kleingruppen das Loch in der Kasse nur noch weiter auf. "Das darf der Staat nicht auf die Kommunen abwälzen", fordert Eglauer, "er muss hier seiner Verpflichtung nachkommen."

Auch das Kreisbildungswerk als katholische Bildungseinrichtung für Familien ist von der Krise hart getroffen: "Die Folgen für unseren Betrieb sind extrem", sagt Geschäftsführerin Jennifer Becker. Als erste Sparmaßnahme, und da man noch nicht wisse, welche Veranstaltungsformen im Herbst überhaupt stattfinden können, werde man nun auf den Druck des Herbst- und Winterprogramms verzichten. "Wir müssen jetzt kreativ sein und andere Möglichkeiten suchen", so Becker.

Doch nicht nur die Bildungseinrichtungen selbst, sondern auch viele ihrer freiberuflichen Kursleiter und Referenten befinden sich in großer Not: Ihre Einnahmen sind von heute auf morgen weggebrochen. Die Corona-Soforthilfe kommt für sie aufgrund mangelnder Betriebsausgaben aber zumeist nicht infrage. "Wir fordern daher die Staatsregierung auf, nach dem Vorbild anderer Bundesländer einen Unterstützungsfonds für die freiberuflichen Kursleitungen zu initiieren", sagt Eglauer. "Die darf man nicht vergessen!"

Zu guter Letzt böten die Volkshochschulen gerade in der Krise Orientierung und wirkten der Spaltung der Gesellschaft entgegen. Die aktuelle Situation verstärke eine gefährliche Mischung aus Verschwörungstheorien, Extremismus und demokratiefeindlichem Verhalten, heißt es in einer Pressemitteilung des bayerischen Volkshochschulverbands. "Dieser irritierenden, irrationalen und wissenschaftsverunglimpfenden Entwicklung setzen Volkshochschulen vielfältige Bildungsangebote entgegen, die Orientierungswissen vermitteln und sich deutlich gegen jedwede Form von Ausgrenzung und kruder Wissenschaftskritik positionieren."

© SZ vom 23.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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