Deutschland befindet sich in einer neuen Phase des Corona-Krisenmanagements. Auf rigide Einschränkungen folgt jetzt ein vorsichtiger Alltag, ein Leben auf Abstand, bis es einen Impfstoff gibt. Dabei handelt es sich um einen Kompromiss, um Gesellschaft und Wirtschaft nicht zu überlasten. Eine Entwarnung aber ist es noch lange nicht. Das scheint Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) gründlich missverstanden zu haben.
Ramelow will es bald jedem Bürger selbst überlassen, ob er Mundschutz trägt oder Abstand hält. Was er "verantwortungsbewusste Solidarität" nennt, suggeriert eine falsche Sicherheit. Gerade in Thüringen ist dieses Signal alles andere als gerechtfertigt: Von den bundesweit sieben Landkreisen mit den aktivsten Corona-Ausbrüchen liegen zwei in Thüringen und drei an der Landesgrenze.
Auch wenn sich Ramelows Vorpreschen anhand der Zahlen nicht erklären lässt, wird es doch politischen Druck auf die anderen Ministerpräsidenten ausüben, erst recht, wenn es in deren Ländern wenige Neuinfektionen gibt. Ohne Not heizt er damit den Wettbewerb um die lockersten Regelungen an. Dabei verlangt gerade das Abstandhalten den Menschen eher wenig ab, während es sie umso mehr schützt. Ein Landesvater sollte das eigentlich erkennen.