Musik:Kleiner Funke, großer Knall

Das Duo "Le Bang Bang" feiert sein zehnjähriges Bestehen

Von Oliver Hochkeppel

Viele Innovationen sind zufällig entstanden, so wie das Porzellan bei dem Versuch erfunden wurde, Gold herzustellen. Auch das Münchner Jazz-Duo der Sängerin Stefanie Boltz und des Bassisten Sven Faller ging mehr oder weniger aus einem Zufall hervor. Bis dahin im Quartett unterwegs, bekam Boltz 2010 ein spontanes Auftrittsangebot in einer Bar, das nur einen Haken hatte: Es gab dort keinen Platz für Klavier und Schlagzeug. Also spielte man erstmals nur zu zweit - was sich unerwartet als gute Alchemie erwies. "Man kann in dieser Besetzung sofort reagieren, die Musik wird in jedem Moment von allen Beteiligten gestaltet, und es entsteht eine totale Nähe", sagt Faller. Ein doppelter Urknall sozusagen, der gleich den Namen für die so entstandene Formation gab, die danach zum vielleicht wichtigsten, in jedem Fall konstantesten Teil ihres beruflichen Wirkens wurde: Le Bang Bang.

Nun hätte das vermutlich nicht so gut funktioniert, wenn da nicht zwei unkonventionelle und vielseitige Musiker aufeinander getroffen wären. Boltz, im Elternhaus mit Klassik aufgewachsen, bevor sie den Jazz entdeckte, hatte schon ein paar Jahre in Berlin gelebt, wo sie nicht nur als Studiosängerin arbeitete und in den A-cappella-Gruppen Slixs und The Croonettes Erfahrung sammelte, sondern auch als DJane "Rare Grooves" und "Vintage Funk" auflegte. Und das anspruchsvolle Singen im intimen Duett hatte sie schon mit dem Jazzgitarristen Philipp Stauber erprobt.

Musik: Fällt gern aus dem Rahmen des Üblichen: Das Duo Le Bang Bang mit Bassist Sven Faller (links) und Sängerin Stefanie Boltz.

Fällt gern aus dem Rahmen des Üblichen: Das Duo Le Bang Bang mit Bassist Sven Faller (links) und Sängerin Stefanie Boltz.

(Foto: Uli Zrenner-Wolkenstein)

Faller wiederum hatte mit 14 als E-Bassist in einer Punkband begonnen, die dann - seinetwegen - zum Jazz konvertierte. Er studierte in Linz und in New York, um sich danach schnell in der Münchner Szene zu etablieren, unter anderem als Begleiter von Charlie Mariano, Don Menza oder Philip Catherine, vor allem aber in der Band von Konstantin Wecker. Sehr erfolgreich war er von 2005 bis 2013 mit dem Trio Elf, das Pionierarbeit mit clubtauglichem elektroakustischem Jazz leistete.

Bei Le Bang Bang kamen nun also alle Erfahrungen zusammen; Boltz' Vorliebe für berührende Songs gleich welcher Provenienz und Stilistik, ihre variable Gesangstechnik und Fallers multiinstrumentaler Spiel-Ansatz, der seinen Bass wahlweise in ein Melodie-, Harmonie-, Perkussions- oder Electroinstrument verwandelt, sozusagen in eine One-Man-Band. Zug um Zug entwickelten die beiden das Konzept weiter, Stücke aller Art komplett zu entkleiden und innerhalb ihres minimalistischen Rahmens neu entstehen zu lassen. Das erregte schon mit dem Debütalbum "Bang Bang" 2011 einiges Aufsehen, das sich mit jedem im Zweijahrestakt erscheinenden Album steigerte: Auf "Headbang" 2013 folgte 2015 "In Our Blood", auf dem es durch die durch die Zusammenarbeit mit dem Multiinstrumentalisten Martin Kälberer ein bisschen opulenter zuging, bevor man zuletzt 2017 mit "Pure" wieder ganz auf die Ausgangsidee zurückkam.

Mit dem Erfolg kam auch der Mut, andere Projekte und Tätigkeiten aus Le Bang Bang abzuleiten. Bei Boltz nicht nur drei Alben unter eigenem Namen (natürlich immer mit Faller als Bassisten), sondern auch die Agentur "Fine Artist", mit der sie zunächst die eigenen Projekte betreute, inzwischen aber auch Kollegen wie LBT und Sebastian Studnitzky. Außerdem wurde sie künstlerische Leiterin von Konzertreihen und Festivals, zum Beispiel auf Gut Sonnenhausen bei Glonn. Faller kultivierte zuletzt mit seinem Projekt "Night Music" und den "Transatlantischen Geschichten" mit August Zirner sein Kompositionstalent und seine Liebe zum Wort.

Umso mehr wollen jetzt die ersten zehn Jahre von Le Bang Bang gefeiert werden. Natürlich mit einem neuen Album, das sie mit dem ihnen eigenen Humor "Greatest Hits Vol. 10" genannt haben. Ihre liebsten Lieder sind darauf verewigt, manche bereits aufgenommen, manche bislang nur live gespielt. Wie immer sind es überraschende Interpretationen, die von der Variation der Melodie, der Rhythmen oder auch der Stimmung leben. So erklingt da die wahrscheinlich traurigste Version, die man von Nenas "99 Luftballons" je hören wird. Zum Dahinschmelzen ist auch Joni Mitchells "A Case of You". Dafür geht es bei Songs von Amy Whinehouse oder den Jackson Five richtig ab. Und mit Fallers "Istanbul" wird man in den Orient katapultiert. Zum Geburtstag präsentieren die Stream-Verächter Boltz und Falles dies alles einmalig als Internet-Konzert, in der "Local heroes"-Reihe der Unterfahrt an diesem Mittwoch.

Le Bang Bang: "Greatest Hits Vol. 10" (GLM); Konzertstream live aus der Unterfahrt, Mittwoch, 27. Mai, 20.30 Uhr, www.unterfahrt.de

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