Bayerische Staatsregierung:Redebedarf in der Koaliton

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler)

Der Chef und sein Vize: Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gibt derzeit den Krisenmanagers, Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) wird eher als Quertreiber wahrgenommen. Falsch, finden die Freien Wähler.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Die Regierungsvertreter betonen zwar gerne die gute Zusammenarbeit, doch es knirscht auf beiden Seiten. Vor allem die Freien Wähler fühlen sich von der CSU in eine unangemessene Rolle gedrängt.

Von Lisa Schnell

Vergangenes Wochenende, da las Florian Streibl vom Parteitag der CSU und wunderte sich. Nicht über die Star-Trek-Tasse, die CSU-Chef Markus Söder da neben seinem Manuskript stehen hatte - die kennt Streibl schon, schließlich sitzt er als Fraktionschef der FW mit Söder im Koalitionsausschuss -, sondern über das, was Söder da verkündete. Freibäder sollen wieder öffnen? Blaskapellen wieder üben dürfen? Davon hatte Streibl bisher noch nichts gehört. Und das, obwohl die Freien Wähler doch auch der Regierung angehören. Das sei jetzt keine Katastrophe, das mit den Schwimmbädern gehe inhaltlich schon in Ordnung, sagt Streibl. Trotzdem: "Vom Prozedere wäre es schön, wenn man vorher mit uns reden würde."

Geht es um Misstöne in der Koalition, hört man meistens vom Unmut der CSU über die Freien Wähler und insbesondere über deren Chef, Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger. Jüngstes Beispiel: Aiwangers 90 000 Wischmopps für Notunterkünfte, über die sie sich in der CSU-Fraktion ebenso amüsierten wie ärgerten. Es lohnt sich allerdings, im Landtag einmal den Gang zu wechseln und bei den Freien Wählern nachzuhorchen. Dort nämlich kann ebenfalls ein gewisses Grummeln vernommen werden. Über die Kritik aus der CSU, aber auch über die Rolle, die den Freien Wählern in der Öffentlichkeit zugemessen wird.

Erst einmal zur CSU: Seitdem die in Umfragen wieder die absolute Mehrheit erreicht, hat das Selbstbewusstsein einiger CSU-Abgeordneter im Landtag zugenommen, der Umgang auf Augenhöhe mit dem Koalitionspartner dagegen eher abgenommen. So kommt das zumindest einigen in der FW-Fraktion vor. Und so betont Fraktionschef Streibl zwar die gute Zusammenarbeit mit seinem CSU-Kollegen Thomas Kreuzer, aber erinnert auch an eine Vereinbarung im Koalitionsvertrag. Dort sei festgelegt, dass alle Entscheidungen einstimmig getroffen werden, oder anders gesagt: "Gemeinsam oder gar nicht." Die CSU also müsse die FW genauso von ihren Ideen überzeugen wie andersrum, auch wenn sie der größere Koalitionspartner ist. Der erste Schritt dieser Überzeugungsarbeit wäre einmal, das Gespräch zu suchen. Am Wochenende, als Söder neue Lockerungen ankündigte, hat das aus Sicht von Streibl eher nicht so gut geklappt.

"Die CSU war daran gewöhnt, alle Dinge alleine zu entscheiden. Das ist jetzt nicht mehr so", sagt Fabian Mehring. Der parlamentarische Geschäftsführer der FW bietet seinem Koalitionspartner, kollegial wie er ist, gerne seine Hilfe an, "in aller Gelassenheit in der neuen Lebenswirklichkeit einer Koalitionsregierung anzukommen". Erste Lektion à la Mehring: "Es gibt keinen regierenden Parteivorstand." Was Söder als CSU-Chef nach einer Vorstandssitzung verkündet seien erst mal nur Vorschläge der CSU, nicht mehr. Dass Söder gerne den Anschein erweckt, als Ministerpräsident die Linie der Staatsregierung darzulegen, wird bei den FW, gelinde gesagt, als missverständlich empfunden. Hinweise, dies doch zu ändern, sollen bei der CSU zwar wohlwollend aufgenommen worden sein, an der Umsetzung allerdings mangelt es aus Sicht der FW noch.

Nur: Hat Aiwanger es nicht auch verpasst, bei seinen Aussagen eine trennscharfe Linie zu ziehen zwischen dem, was er als FW-Chef und dem, was er als Wirtschaftsminister sagt? Etwa, als er eine Ersatz-Wiesn forderte, nur ein paar Stunden, nachdem Söder das Oktoberfest abgesagt hatte? Florian Streibl wird nachgesagt, nicht der größte Fan dieser Aktion zu sein, aber er sagt auch: "Wenn der Wirtschaftsminister etwas sagt, dann ist das auch die Linie der Staatsregierung." Schließlich gelte laut Verfassung das Ressortprinzip.

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Fabian Mehring, parlamentarischer Geschäftsführer der Freien Wähler.

(Foto: Günther Reger)

Aus Sicht von Mehring würden FW und CSU in der Öffentlichkeit mit einem unterschiedlichen Maßstab beurteilt. Beide Koalitionspartner, CSU wie FW, könnten verschiedene Ideen vorstellen. Bei den FW aber hieße es immer, sie seien vorgestürmt oder würden den Koalitionsfrieden stören. "Wir werden dauernd gefragt, ob wir etwas mit dem Koalitionspartner abgestimmt haben, während ich noch nie erlebt habe, dass die CSU oder der Ministerpräsident gefragt worden wäre, ob etwas mit uns abgestimmt gewesen sei." Oder anders ausgedrückt: Die Schlagzeile: "Söder prescht vor", habe in den Zeitungen nach Söders Ankündigungen neuer Lockerungen auf dem CSU-Parteitag gefehlt.

Aiwanger dagegen hat sich mit seinen steten Forderungen nach mehr Lockerungen das Image des Querulanten eingefangen. Aus seiner Sicht eine unfaire Rolle, die ihm da zugeordnet wird. "Wir sollen auf Knopfdruck funktionieren, während uns andererseits von den Medien gesagt wird, eine Koalition mit den Grünen wäre spannender", sagt Aiwanger. In den Augen der Freien Wähler ist ihr Chef deshalb kein Querulant, sondern ein Prophet, so sagt das Mehring. Schließlich habe er in Vielem recht behalten, Mehring zählt auf: Erste Lockerungen im April, die Öffnung der Biergärten, das Ende der 800-Quadratmeter-Regel bei Geschäften - und was sind eigentlich die geplanten Wiesn-Stände in der Innenstadt anderes als eine "Ersatz-Wiesn"?

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Als Aiwanger vor einiger Zeit gefragt wurde, ob er sich denn durchgesetzt habe, verneinte er das noch, er stand da direkt neben Ministerpräsident Söder. Nun sagt er auf die gleiche Frage, ob ihm die jetzige Linie der Staatsregierung recht gebe: "Ja." Landauf, landab werde der bayerische Weg gelobt, sagt Mehring, und die FW seien ein Teil davon. Dass vor allem Söder dafür die Lorbeeren bekommt, findet bei den FW weniger Zustimmung.

Über einen Vorwurf aber kann Mehring sich nicht ärgern, sondern nur lachen: Dass sie in der Regierung so redeten und vor Ort bei ihren Leuten dann wieder ganz anders. Gleichzeitig Opposition und Regierung zu sein, sei doch seit Jahrzehnten das Geschäftsmodell der CSU. Den Vorwurf nimmt er deshalb als Kompliment, "dass wir die CSU-Strategie der letzten Jahre erfolgreich nachahmen".

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