Konjunkturprogramme:Es fehlt an einer einheitlichen Richtung

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Gaststätten dürfen wieder für ihre Gäste öffnen, wenn sie bestimmte Auflagen einhalten. (Foto: Philipp von Ditfurth/dpa)

Das Wirtschaftsministerium plant neue Hilfen für Mittelständler, das Umweltministerium den ökologisch-sozialen Neustart. Doch wie sollen die geplanten Konjunkturhilfen aussehen?

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Eines muss Svenja Schulze gleich mal klarstellen. "Wir befinden uns nach wie vor in einer Situation, wo der Schutz der Bevölkerung oberste Priorität hat", sagt die Umweltministerin am Montag in Berlin. Was natürlich keinen davon abhalten soll, über die Zeit nach dem Corona-Einbruch nachzudenken. "Aus der Krise heraus kommt man am besten mit Investitionen", findet die SPD-Frau. "Aber nicht mit irgendwelchen Investitionen." Die Zukunft der Wirtschaft müsse "klimafreundlicher, sozialer, krisenfester" sein.

Die Gegenwart dagegen ist für viele Unternehmen trist. Wie trist, belegt ein Eckpunktepapier aus dem Bundeswirtschaftsministerium, das am Montag zirkuliert. Weitere 25 Milliarden Euro könnten so noch einmal an den Mittelstand fließen, nach einer "vorsichtigen Schätzung", wie es heißt. Das Ziel: "Sicherung der wirtschaftlichen Existenz" jener kleinen und mittleren Unternehmen, "die unmittelbar und mittelbar durch Corona-bedingte Schließungen oder Auflagen erhebliche Umsatzausfälle erleiden". Als erstes hatte die Neue Osnabrücker Zeitung über das Papier berichtet.

So nah liegen der drohende Zusammenbruch und ein schwungvoller neuer Aufbruch in diesen Tagen beieinander. In der Bundesregierung laufen die Beratungen über ein Konjunkturpaket, doch viele Unternehmen müssen sich fragen, ob sie den nächsten Aufschwung überhaupt noch erleben. "Manchen Unternehmen bleibt schlicht keine Zeit mehr", heißt es aus dem Bundeswirtschaftsministerium.

Man arbeite deshalb mit Hochdruck an Hilfen für die Überbrückung, Gespräche mit dem Finanzministerium liefen. So sollen Firmen, die vor der Krise bis zu 249 Beschäftigte hatten, bis zu 50 000 Euro Zuschuss zu den betrieblichen Fixkosten bekommen, und das monatlich. Voraussetzung ist, dass ihnen im April und Mai im Vergleich zu den gleichen Monaten des Vorjahres mindestens 60 Prozent der Umsätze weggebrochen sind.

Auch Solo-Selbständige und Freiberufler sollen diese Hilfe beantragen können. Bis zu 80 Prozent ihrer Fixkosten könnten so durch den Zuschuss abgedeckt werden - sofern der Umsatzeinbruch bei mehr als 70 Prozent liegt. Bei Einbrüchen zwischen 50 und 70 Prozent übernähme der Staat noch die Hälfte der Fixkosten. Einstweilen soll das Programm bis Dezember laufen. Das Unterfangen sei "zeitkritisch", mahnt das Haus von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Wie viel das alles kosten werde, sei "abhängig von der Entwicklung des Infektionsgeschehens".

Derweil reifen die Ideen für die Zeit nach dem Infektionsgeschehen. Die Industrielobby BDI etwa legt am Montag "66 Maßnahmen für einen erfolgreichen Wiederhochlauf der Industrie" vor, allesamt gemünzt auf den Abbau von Bürokratie. "Überzogene Bürokratie frisst Zeit, Nerven und Geld", heißt es in dem Papier. Die Vorschläge reichen von der elektronischen Unterschrift bis hin zum Erhalt von Sonderregeln und Ausnahmen, wenngleich mitunter verbunden mit neuer Bürokratie. "Die Wirtschaft wird ungeduldig", warnt BDI-Chef Dieter Kempf. "Die Politik muss ab sofort größeres Augenmerk auf den Abbau von Bürokratie richten." Schließlich koste das den Staat kein Geld.

Das sieht der Bundesverband Erneuerbare Energie nicht anders. Auch er hat schon ein Positionspapier zur Hand, auch er verlangt unter anderem die Beseitigung administrativer Hürden. Der Bund könne so "mit besonders geringem Aufwand erhebliche Investitionen auslösen". Schließlich sei der Ökostrom-Ausbau für die deutsche Wirtschaft "essentiell", heißt es in dem Papier, das der Verband am Montag vorlegt - passend zur Debatte über das große Konjunkturpaket. Und auch die Bauwirtschaft will nicht leer ausgehen: Sie hat "dunkle Wolken am Konjunkturhimmel" ausgemacht. Helfen könnten da Hilfen für die Kommunen, damit die bereits geplante Investitionen nicht noch überdenken.

Vieles findet sich auch in der Studie wieder, die Schulze am Montag vorstellt. Verschiedene Ökonomen haben mitgewirkt, überwiegend gewerkschaftsnahe Forscher oder Umweltökonomen. Auch sie plädieren für einen Schutzschirm für Kommunen, damit die trotz wegbrechender Einnahmen an ihren Investitionen festhalten können - auch etwa zur energetischen Sanierung städtischer Gebäude. Beim Ökostrom wollen die Ökonomen sogar die derzeitigen Ziele noch anheben: Bis 2030 sollen nicht 65, sondern 75 Prozent erneuerbare Energie im Stromnetz sein. In der Mobilität solle der Staat eher den öffentlichen Nahverkehr oder die Ladeinfrastruktur für Elektroautos fördern, nicht aber den Kauf von Verbrennungsautos. Und das flankiert von einem Aufschlag auf das Kindergeld und mehr Forschungsausgaben - alles für die Zeit, wenn das Schlimmste vorüber ist: die Zukunft.

© SZ vom 26.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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