Prozess in München:Bande soll MVV-Tickets im Wert von zehn Millionen Euro gefälscht haben

Um an Blankofahrkartenrollen zu gelangen, sollen die Angeklagten Busfahrer bestochen haben - mit Geld, Handys und Sex.

Von Susi Wimmer

Als Polizeibeamte im August 2018 in Feldkirchen einen Autofahrer routinemäßig kontrollierten, ahnten sie bestimmt nicht, welchen Fisch sie da an der Angel hatten: Aslan C., nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Kopf zweier Banden, die unter anderem Blankofahrkartenrollen aus MVV-Bussen klauten, sie bedruckten und den Münchner Verkehrsverbund um Fahrkarten im Gesamtwert von knapp zehn Millionen Euro brachten.

Zum Teil versuchten Bandenmitglieder auch, die Busfahrer zu bestechen, in einem Fall soll auch Geschlechtsverkehr mit der Freundin von Aslan C. als Währung für eine Blankorolle geboten worden sein. Vor der 19. Kammer am Landgericht München I begann nun der Prozess gegen drei Gruppenmitglieder, unter anderem wegen banden- und gewerbsmäßiger Urkundenfälschung. Aufgrund der Corona-Distanzvorschriften wird gegen die insgesamt sieben Angeklagten getrennt verhandelt.

Nach außen hin muss Aslan C. wohl den großen Macker gemimt haben: Inhaber eines Brautmoden-Ladens, und wenn er seinen Komplizen nachts zum Aufbrechen von Linienbussen durch die Gegend kutschierte, dann im Porsche Macan. Das Verfahren gegen Aslan C. wird allerdings erst im Juni beginnen, derzeit sitzt seine ehemalige Geliebte und Komplizin Eda A. auf der Anklagebank. Ebenso Mustafa E., der in seinem "Design-Studio" in Salzburg die Druckdateien für die Fahrkarten kreierte, sowie Orlin C., der unter anderem die gefälschten Tickets verkaufte.

Eda A. murmelt kaum hörbar vor sich hin, die 44-Jährige sieht aus, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen. Nur stockend berichtet sie, dass sie ja nur mit ihrem Freund Aslan C. zusammen sein wollte, sie gar nicht so genau gewusst habe, was er da machte. Bis der Vorsitzende Richter Markus Koppenleitner donnert: "Sie sind hier nicht das Mäuschen. Sie waren maßgeblich beteiligt."

Zunächst soll das Paar versucht haben, über Münchner Busfahrer an die Blankorollen in den Fahrkartenautomaten zu gelangen. Eine Zahlung von 100 Euro sowie eine Gewinnbeteiligung von 1000 Euro wurden für eine Rolle geboten. Alternativ dazu soll Aslan C. auch hochwertige Handys angeboten haben, die aus seinem anderen "Geschäftszweig" stammten. Er soll im Elektromarkt Saturn einen Verkäufer sowie einen Ladendetektiv dazu gebracht haben, für ihn hochpreisige Artikel auf Bestellung zu stehlen.

Wie viele Busfahrer tatsächlich das Angebot der Gauner annahmen, ist schwer zu sagen. In einem Fall jedenfalls sagte ein Fahrer aus, er sei im Busdepot in Feldkirchen von Eda A. angesprochen worden. Diese hätte ihm auch Geschlechtsverkehr angeboten. "Nein", sagt Eda A. verschämt, der Busfahrer habe gesagt, wenn sie unbedingt Geld benötige, könne er ihr welches geben. Dafür wolle er Sex.

Offenbar zog die Masche mit den Busfahrern nicht so gut, und Aslan C. und ein Komplize gingen dazu über, nachts in Feldkirchen, Ottobrunn und Brunnthal bei Busunternehmen reihenweise Fahrzeuge aufzubrechen und Fahrscheinautomaten zu knacken.

Nachdem die Blankorollen besorgt waren, kam Mustafa E. ins Spiel. Aslan C. suchte ihn in seinem Salzburger Design-Studio auf und fragte, ob er Daten für den Druck von Konzerttickets ändern könne. Er übergab ihm einen USB-Stick und der 47-Jährige erstellte am Computer die geforderten Schriftzüge wie "Ticket-Ring 1-4" oder "Isar-Card". Da habe er schon bemerkt, dass das keine Konzertkarten waren, ließ der Angeklagte über seinen Anwalt ausrichten.

Nachdem die Rollen bedruckt waren, sorgte auch Eda A. dafür, dass die gefälschten Tickets unter die Leute kamen. Sie stellte Kontakte her, ihr Geliebter soll die Fälschungen verkauft haben, unter anderem an ihre Fußpflegerin. Eda A. soll auch Orlin D. als Fahrkartenverkäufer angeworben haben. "Ihm war schon klar, dass da was nicht stimmte", erklärte dessen Anwältin. Vor allem auch, weil Orlin D. eingeschärft bekam, die Tickets nur im Freundes- und Familienkreis zu verkaufen, "weil da ein Druckfehler" drauf sei.

Bereits im Vorfeld gab es zwischen den Verfahrensbeteiligten eine Absprache, der zufolge bei Geständnissen Eda A. und Orlin D. mit Bewährungsstrafen davonkämen. Mustafa E. droht aufgrund seiner Vorstrafen das Gefängnis.

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