Ermittlungen:Prüfbericht bringt Samariter in Erklärungsnot

Falschabrechnungen im Rettungsdienst könnten den ASB womöglich weit teurer zu stehen kommen als bislang befürchtet

Von Dietrich Mittler

Die Folgen des mutmaßlichen Betrugs durch Falschabrechnungen im Bereich Rettungsdienst lasten weiterhin schwer auf dem Landesverband des Arbeiter-Samariter-Bunds in Bayern (ASB). Die Verantwortlichen der ASB-Regional- und Kreisverbände hoffen nun auf ein Gespräch mit dem Anfang März neugewählten Landesvorstand. Vom jetzigen Vorsitzenden, dem Aschaffenburger Anwalt Gerhard Körner, erhoffen sie sich Details über die tatsächliche Lage des Verbands - und wie er nun mit den Krankenkassen in Verhandlungen zu treten gedenkt, zu deren Lasten ein Schaden in Höhe von mehr als sechs Millionen Euro entstanden sein soll.

Indes dauern die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth wegen des Verdachts auf "Betrug in einem besonders schweren Fall" an - unter anderem gegen den früheren Geschäftsführer des ASB-Landesverbands. Die Beschuldigten sollen nicht zustande gekommene Ausgaben abgerechnet haben. Auch stellt sich die Frage, was mit dem so erwirtschafteten Geld gemacht wurde. Hier fällt mehrfach der Begriff "rettungsdienstnahe Kosten". Die Prüfer von Rödl & Partner bemängeln, dass es dafür "keine abschließende Definition" gebe. Auch das Innenministerium als Aufsichtsbehörde stellt fest: "Der Begriff ist im Bayerischen Rettungsdienstgesetz nicht vorgesehen und ist uns daher auch nicht bekannt. Wir wissen nicht, was der ASB unter diese Kostenposition subsumiert (hat)." Einige der ASB-Regional- und Kreisverbände halten mit ihrer Kritik nicht zurück. "Wir wussten ja in all den Jahren zuvor noch nicht einmal, wie hoch das Gesamtbudget des Landesverbands ist", sagt Christian Boenisch, Geschäftsführer des Regionalverbands München/Oberbayern. Mit dem neuen Landesvorstand sei nun mündlich vereinbart, "dass wir jetzt diese Zahlen alle offengelegt bekommen".

Der ASB wird sich auch mit dem auseinandersetzen müssen, was bislang kaum zur Sprache kam. Hintergrund: Mit der Prüfung der Vorwürfe hatte der Verband eine externe Prüfungs- und Beratungsgesellschaft beauftragt. Aus dem Bericht von Rödl & Partner, 242 Seiten stark, geht hervor, dass neben der feststehenden Schadenssumme Personalaufwendungen in Höhe von mehr als 16 Millionen "nicht beurteilbar" seien. Es ist also völlig offen, ob hierbei womöglich weitere Schadenssummen anfallen, für die der ASB haftbar gemacht werden kann. "Uns wurden keine vollumfänglichen Prüfungsnachweise vorgelegt", heißt es von Rödl & Partner. Nach SZ-Recherchen löst das bei den Krankenkassen Unruhe aus - auch ihnen liegt der Prüfbericht vor. "Da steckt Zündstoff drin", heißt es aus vertraulicher Quelle.

Der erhöhte Aufklärungsbedarf der Kassen ist Jarno Lang, dem jetzigen Geschäftsführer des ASB-Landesverbands, nicht verborgen geblieben. "Es gibt Signale, dass man mit uns über die offenen Summen sprechen will", sagte er am Mittwoch. Was die nicht geprüften Sachverhalte betreffe: "Sie wurden nicht zu Ende geprüft, da dies viel an weiteren zeitlichen und finanziellen Ressourcen verbraucht hätte." Auch hätten sich bis zum damaligen Prüfungszeitraum für die beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft keine Hinweise auf weitergehende Falschabrechnungen "in diesen noch nicht beurteilten Kosten ergeben". Wenn die Kassen aber Wert darauf legten, "könnten diese Sachverhalte von ihnen natürlich weitergeprüft werden".

Gerhard Körner, der neue Vorsitzende des ASB-Landesverbands, betonte unterdessen: "Wir sehen durchaus die Problematik." Erst einmal aber müsse sich der neue Landesvorstand damit befassen. Im Juni soll es mit den Kassen zum Gespräch kommen. "Die Höhe der möglichen Verbindlichkeiten wird dann besprochen", teilte der ASB-Landesverband mit. Dabei ist aber auch klar: Die Kassen werden nach bisherigem Stand auf errechnete Zinsen in Höhe von geschätzt zwei Millionen Euro nicht verzichten wollen.

Derzeit lassen sich die Kassen aber nicht in die Karten schauen - und verantwortlich dafür ist nicht zuletzt auch der Bericht von Rödl & Partner, der mindestens so viele Fragen aufzuwerfen scheint, wie er beantwortet. Auf eine SZ-Anfrage hieß es: "Die Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände und der ASB Bayern verhandeln weiterhin über die Wiedergutmachung des entstandenen Schadens." Und: "Ergebnisse liegen noch nicht vor."

Aber noch weit mehr ist zu klären, und da geht es nicht nur um sogenannte Sonderposten - aus Kassensicht "eine Grauzone", sondern auch um die Frage: Durfte der ASB überhaupt im Rettungsdienst erwirtschaftete Überschüsse behalten? Rödl & Partner sieht dafür "insgesamt keine Anhaltspunkte".

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