Gastronomie in Bayern:Das Mysterium des Mindestabstands - und die paradoxen Details

Kumpeltisch 'Hubert' in der Schoppen-Scheune

Die viel belachten Ausführungen von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, wer mit wem wo am Biertisch sitzen darf, hat Gastwirt Achim Hospes zum Anlass genommen, im Biergarten seiner Schoppen-Scheune in Marktheidenfeld den "Kumpeltisch Hubert" einzurichten. Der Abstand bleibt so gewahrt.

(Foto: Daniel Peter)

1,50 Meter Distanz sollen die wirksamste Methode gegen eine Corona-Infektion sein. Doch die Regelung ist vage. Zwei Freunde etwa sollen daheim mehr Abstand halten als im Restaurant.

Von Kassian Stroh

Für die Behörden ist es die zentrale Regel, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Gleich als zweiter Satz steht sie in der bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung: "Wo immer möglich, ist ein Mindestabstand zwischen zwei Personen von 1,5 m einzuhalten." Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat dieses Distanzgebot einmal die "mit Abstand wirksamste Maßnahme" genannt. Doch so bedeutsam und einschneidend die Vorschrift für jeden ist, ganz klar formuliert ist sie nicht. Juristisch gesehen ist der Mindestabstand etwas mysteriös.

In Bayern gilt das Distanzgebot seit mehr als zwei Monaten, seit dem 21. März. Und es ist an sich umfassend angelegt: Es gilt für jeden in jeder Situation, im öffentlichen wie im privaten Raum, draußen wie drinnen. Mit einer vage formulierten Einschränkung: "wo immer möglich". Denn es gibt ja Situationen, wo man so viel nicht halten kann: in der Pflege, beim Friseur, in der Krippe zwischen Kindern und Erzieherinnen.

Für Kindertagesstätten zum Beispiel gibt es daher die offizielle Empfehlung, zumindest dann eine Maske zu tragen, wenn wie beim Wickeln absehbar ist, dass der Mindestabstand unterschritten wird. Eine zweite wichtige Einschränkung des Abstandsgebots ist die eigene Wohnung: Innerhalb einer Familie ist die Gefahr einer Infektion mit dem Coronavirus ohnehin so groß, dass es kaum verhältnismäßig wäre, den Mindestabstand vorzuschreiben. Weshalb von vielen Kontakteinschränkungen die Mitglieder des eigenen "Hausstands", wie der Jurist sagt, ausgenommen sind.

Seit dieser Woche darf auch die Gastronomie weitgehend ihre Dienste anbieten, und nun zeigt sich ein weiteres Mal, dass das Distanzgebot so absolut nicht ist, wie es der Verordnungstext vermuten lässt. Denn tatsächlich erlaubt der Staat dem Besitzer eines Restaurants Menschen zu bewirten, auch wenn diese den Mindestabstand nicht einhalten - so lange sie Verwandte sind oder höchstens zwei Hausständen angehören.

Der Wirte muss nur darauf achten, dass die nächste Gesellschaft mindestens 1,50 Meter weiter sitzt. Sitzen also zwei Freunde an einem Tisch, der ja in den seltensten Fällen 1,50 Meter breit ist, ist das erlaubt. Treffen sie sich bei einem daheim, um eine mitgebrachte Pizza zu verspeisen, müssten sie mehr Abstand halten. Oder: Treffen sich zwei Ehepaare zum Schafkopfen in einem Wirtshaus, ist das zulässig. Treffen sie sich daheim, bräuchten sie einen ziemlich großen Tisch und müssten sich die Spielkarten zuwerfen, um das Distanzgebot einzuhalten.

Ein Widerspruch? Nein, heißt es aus dem Gesundheits- wie dem Wirtschaftsministerium. Grundsätzlich gelte der Mindestabstand auch in der Gastronomie. Das Distanzgebot würde also in jedem dieser Fälle verletzt. Nur dass es der Staat in den Restaurants duldet ("auch um das Überleben der Gastronomen zu sichern", wie eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums sagt) und dass er es in Privatwohnungen schlicht nicht kontrolliert. In diesem Sinne sei die Vorgabe, überall und immer einen Mindestabstand von 1,50 Meter zu wahren, eher ein "Appell". Tatsächlich ist für Verstöße gegen den Mindestabstand im Bußgeldkatalog nichts vorgesehen.

Und es gibt noch eine weitere Ausnahme vom 1,5-Meter-Mindestabstand - allerdings eine schärfere Regelung: In Kirchen, Moscheen und anderen Orten religiöser Zusammenkünfte gilt sogar, dass sich niemand näher als zwei Meter kommen darf. Das liege am Hygienekonzept der Kirchen. Die hätten selbst den Abstand von zwei Metern vorgeschlagen, sagt eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums.

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