Einwanderung:Hürdenlauf zum deutschen Pass

Bundestag

Die grüne Abgeordnete Filiz Polat fordert eine moderne Einwanderungsgesellschaft.

(Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Horst Seehofer will das Staatsangehörigkeitsrecht reformieren. Die Grünen sehen das mit Sorge. Sie warnen vor einem Rückschritt.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Für Menschen, die in Deutschland leben und in mehreren Kulturkreisen daheim sind, kann die Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft ein identitätsstiftender Schritt sein. Leicht allerdings fällt er nicht immer. Wer sich zur Einbürgerung entschließt, muss neben emotionalen auch rechtliche Hürden überwinden. Wie hoch diese sein sollten, hat am Donnerstag den Bundestag beschäftigt. Auf Antrag der Grünen stand das Staatsangehörigkeitsrecht auf dem Programm. Die Grünen warnten vor einer "schleichenden Aushöhlung" des Zugangs zur deutschen Staatsangehörigkeit und forderten Erleichterungen bei der Einbürgerung. Eine geplante Reform von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will das Gegenteil.

"Wir müssen vom Einwanderungsland zur Einwanderungsgesellschaft werden. Ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht ist der Kern dieser Einwanderungsgesellschaft", sagte Filiz Polat, Obfrau der Grünen im Innenausschuss, "20 Jahre nach dem rot-grünen Staatsangehörigkeitsgesetz braucht es kein Rollback, sondern einen Blick nach vorn." Im Jahr 2000 hatte Rot-grün eine Wende im Staatsangehörigkeitsrecht durchgesetzt. Das traditionelle Abstammungsprinzip, wonach deutsch ist, wer einen deutschen Elternteil hat, wurde durch das Geburtsortprinzip ergänzt. Danach bekommen auch all diejenigen einen deutschen Pass, die in Deutschland geboren sind. Rot-grün feierte die Reform als Schritt in die moderne Einwanderungsgesellschaft. Gegen scharfen Widerstand der Union kam zudem die doppelte Staatsbürgerschaft - mit der Einschränkung, dass Doppelstaatler sich mit 18 Jahren für eine Nationalität entscheiden müssen.

Noch vor der Sommerpause plant der Minister eine Reform

Die Union hat sich mit dem neuen Staatsangehörigkeitsrecht nie anfreunden können. Inzwischen gibt es schon die dritte Reform. Neben Einbürgerungstests wird der Nachweis gefordert, dass Eingewanderte acht Jahre im Land leben, ihren Lebensunterhalt selbst verdienen und die "Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse" gesichert ist. Innenminister Seehofer setzte zuletzt durch, dass den deutschen Pass verliert, wer für ausländische Milizen wie den Islamischen Staat kämpft. Und die vierte Reform ist schon in Planung.

Vor der Sommerpause will Seehofer eine Novelle, die Kinder von Migranten in den Blick nimmt. Sind sie in Deutschland geboren, macht das Geburtsortprinzip sie eigentlich automatisch zu Deutschen. Künftig soll ihnen dies verwehrt werden, wenn die Identität beider Eltern nicht geklärt ist. Auch wenn eine Vaterschaft sich als unzutreffend erweist, sollen Kinder unter fünf Jahren den deutschen Pass wieder verlieren. Nach einer "durch arglistige Täuschung erschlichene Einbürgerung" sei es rechtskonform, in Deutschland geborenen Kindern die Staatsbürgerschaft abzuerkennen, hieß es im Innenministerium. Zudem will Seehofer die Mehrstaatigkeit weiter zurückdrängen. Selbst Schutzberechtigte nach der Genfer Flüchtlingskonvention, bei denen Verfolgung nachgewiesen ist, sollen ihre Identität klären müssen, bevor sie Bürger werden dürfen - also die Botschaft des Herkunftslandes kontaktieren. Viele ehemals Verfolgte lehnen das mit Verweis auf Lebensgefahr ab. Im Innenministerium hält man dagegen. Nicht in jedem Fall sei die Antragstellung bei der Botschaft des Herkunftsstaates "von vornherein unzumutbar", hieß es hier. Die Grünenpolitikerin Filiz Polat warnte davor, die Reform des Jahres 2000 zurückzudrehen. Gerade bei der Staatsbürgerschaft müsse der Staat "Verlässlichkeit" zeigen und trage "Schutzverantwortung" für alle Bürger. "Um unsere Einwanderungsgesellschaft zu gestalten, muss alles daran gesetzt werden, dass sich Menschen unserer freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft zugehörig fühlen, dass sie Deutsche sein und auch bleiben wollen", heißt es im Antrag der Grünen. Schon wenn ein Elternteil eines in Deutschland geborenen Kindes "rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland" habe, soll das zur deutschen Staatsangehörigkeit berechtigen, fordern die Grünen. Der Zwang, sich mit 18 Jahren zwischen zwei Pässen zu entscheiden, gehöre "abgeschafft". Junge Menschen und Studierende, die Deutsche werden wollen, sollen aus Sicht der Grünen nicht mehr nachweisen müssen, dass sie ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. Mit Zustimmung für die Vorschläge war am Donnerstag eher nicht zu rechnen.

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