Umfrage:Die Corona-Solidarität lässt nach

Heidelberg - Neckarwiese

Die Pandemie schafft Distanzen: Besucher der Neckarwiese in Heidelberg werden mit Markierungen auf Sicherheitsabstand gehalten.

(Foto: dpa)

Sich selbst am nächsten: Viele stimmen vor allem den Corona-Maßnahmen zu, die ihnen selbst nicht schaden.

Von Christoph Koopmann

Es ist kaum zwei Monate her, da war vielfach zu hören, dass eine kollektive Krisenerfahrung wie Corona die Gesellschaft zusammenschweißen würde. Diese Hoffnung scheint sich nicht zu erfüllen. Das zeigen Ergebnisse einer Befragung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, die der Süddeutschen Zeitung vorab vorliegen.

In der repräsentativen Umfrage vom 18. und 19. Mai wollten die Forscher wissen, wie die Menschen zu den pandemiebedingten Einschränkungen stehen. "Bei vielen Menschen zeigt sich die Einstellung, jeder ist sich selbst der Nächste", resümiert Studienleiter Matthias Fifka. Viele seien eher für Maßnahmen, die ihnen selbst möglichst wenig schaden, ungeachtet der Folgen für andere. "Die vielfach beschworene Solidarität hat sich ziemlich schnell aufgelöst", sagt der Wirtschaftswissenschaftler.

Von gewachsenem Zusammenhalt zwischen den Generationen zum Beispiel könne keine Rede sein. Das zeigt sich schon bei der grundlegenden Frage, ob dem Schutz des Lebens in Zeiten der Pandemie alle anderen Werte untergeordnet werden sollten. Unter den 60- bis 75-Jährigen bejahen das 79 Prozent, unter den 16- bis 29-Jährigen nur 57 Prozent. 61 Prozent der Älteren befürworten Eingriffe, die zugunsten der Virusbekämpfung die Freiheit aller "massiv einschränken", bei den Jüngeren sind es lediglich 45 Prozent. Beinahe das gleiche Bild ergibt sich bei der Frage nach Einschränkungen, die starke wirtschaftliche Schäden bringen; genauso sieht es bei Maßnahmen aus, die negative psychische oder physische Folgen für andere haben.

"Den Älteren scheint es vor allem um ihre körperliche Gesundheit zu gehen", sagt Fifka. Die Jungen dagegen hätten wohl den Eindruck, das Virus könne ihnen nicht viel anhaben. "Ihnen ist nach zwei Monaten der Krise bewusst geworden, was die Maßnahmen wirtschaftlich für sie bedeuten", sagt Fifka.

Der Umgang mit der Krise spaltet auch Menschen mit niedrigeren und höheren Einkommen. Während 74 Prozent Menschen mit einem Haushaltsnettoeinkommen von mehr als 3000 Euro dem Schutz des Lebens alles andere unterordnen würden, sind es bei Menschen mit geringerem Einkommen bloß 66 Prozent. Kurzarbeit in künftigen Krisen befürworten 73 Prozent der Besserverdiener, aber nur 64 Prozent der Menschen mit einem Haushaltsnettoeinkommen von 3000 Euro oder weniger. "Wer mehr verdient, hat eher finanzielle Rücklagen gebildet und kann auch einen Verdienstausfall besser verschmerzen", sagt Studienleiter Fifka.

Auch zwischen Kinderlosen und Menschen mit Kindern zeigen sich Risse. Nur etwas weniger als die Hälfte derer, die mit Kindern in einem Haushalt leben, hielten die Schließung von Schulen und Kitas in künftigen Krisen für gerechtfertigt. Bei den Menschen aus Ein- oder Zweipersonenhaushalten sind es zwei Drittel.

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Unerwartete Einigkeit registriert Matthias Fifka dagegen zwischen Männern und Frauen. Auch regional gibt es kaum Unterschiede. "Das überrascht, weil sich das Virus in Deutschland je nach Region ganz unterschiedlich ausgebreitet hat", sagt Fifka. Einig sind sich die Deutschen auch in einem: "Sie wünschen sich eine bessere Vorbereitung auf künftige Krisen", sagt Fifka. Die Mehrheit ist für eine verstärkte Schutzmaskenproduktion und die Förderung virologischer Forschung.

Zudem wollen die Deutschen, dass die politischen Entscheider ihr Vorgehen besser koordinieren und legitimieren als momentan, sollte es noch einmal zu einer epidemischen Ausnahmesituation kommen. Zwei Drittel sind der Meinung, dass Grundrechte nur länger als einen Monat eingeschränkt werden sollten, wenn vorher definierte Werte wie eine bestimmte Zahl von Neuinfektionen überschritten sind. Außerdem sollten Bundesregierung und Landesregierungen dafür die Zustimmung der Parlamente einholen. Drei Viertel fordern, die Exekutive müsste mögliche Folgen der Einschränkungen, etwa wirtschaftliche Schäden, konsequent berücksichtigen und darüber Rechenschaft ablegen.

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