Kultur im Stream:Wir haben uns lieb

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Kunstminister Bernd Sibler ist "hinter dem Vorhang" des Gärtnerplatztheaters zu Gast

Von Egbert Tholl, München

Wenn man in dieser Zeit von einem öffentlichen Gespräch mit dem Bayerischen Kunstminister Bernd Sibler ein paar harte, unmissverständliche Aussagen dazu erwartet, wie es mit der Kunst und der Kultur weitergehen kann, dann ist man hier falsch. Die treffendste Aussage stammt da von der Schauspielerin Jutta Speidel: "Wir waren schon immer die Kaschperl vom König." Und wie es halt so ist mit Königen und ihren Kasperln: Die einen haben die Macht, und die anderen dürfen sich freuen, wenn ihnen etwas Erbauliches zu machen gestattet wird.

Martina Holler und David Pia spielen am Ende den "Schwan" aus Camille Saint-Saëns' "Karneval der Tiere". (Foto: Michael Heidinger)

Dennoch darf man diesen Abend keineswegs als große Desillusion verstehen. Zum vierten Mal lädt Josef E. Köpplinger, Intendant des Staatstheaters am Gärtnerplatz, "Hinter den Vorhang". Das schaut so aus, dass er sich Gäste zur geistreichen Konversation einlädt, mit diesen auf der sich langsam drehenden Bühne sitzt, man sehnsuchtsvolle Blicke in den leeren Zuschauerraum werfen kann und Mitglieder das Hauses ein paar Stücke Musik präsentieren. Das Ganze ist gut gemacht, sauber vorproduziert, also nicht live, weshalb Siblers Aussagen im Aktualitätswert vielleicht ein paar Tage hinterherhinken. Aber um knallharte Befragungen geht es hier ohnehin nicht. Am besten funktioniert dieser Abend auf der Gärtnerplatz-Homepage als kultivierte Soirée, in welcher man ein bisschen melancholisch der Freude an der Kunst nachhängt, Erinnerungen, Anekdoten, von denen Köpplinger selbst, übrigens der denkbar größte lebende Zitatenschatz, einige beizusteuern weiß.

Kunstminister Bernd Sibler erweist sich als freundlicher Gast. (Foto: Michael Heidinger)

Zweifelsfrei wichtig ist allen natürlich die Bedeutung der Kunst, gerade jetzt. Untermauert wird die durch Auftritte der Gärtnerplatzkünstler Timos Sirlantzis, Benjamin Spa, Martina Holler, David Pia und Maximilian Mayer, der auch am Gespräch mit Sibler, Speidel und Köpplinger teilnimmt. Der Herr Minister selbst hat dabei nicht die allergeringste Lust, sich durch Sticheleien von Speidel und Köpplinger aus seinem freundlich-distanzierten Wohlfühlkonzept bringen zu lassen. Jutta Speidel, Gründerin übrigens des auch vom Gärtnerplatztheater unterstützten Vereins Horizont, verweist darauf, dass sich Künstler derzeit nicht in eine Teflonpfanne verwandeln könnten, dass sie endlich auf die Straße gehen und deutlich mitteilen, man habe sie vergessen. Sibler, entschieden mehr Teflon als die erwähnten Künstler, verweist - sicherlich durchaus zu Recht - auf die diversen Staatshilfen, gibt zu, dass man bei aller Anstrengung nicht alle erreichen könne und macht das, was er die vergangenen zweieinhalb Monate tat: Pflichtschuldig betont er, dass Ministerpräsident Markus Söder "in persona" gleich ganz am Anfang die Kultur mit im Programm hatte. Und ihm damit die Arbeit abnahm, könnte er ergänzen, tut er aber nicht.

Mayer meint, derzeit liege viel in den Händen der Politik, Siebler antwortet, Politik ohne Rückbindung an die Gesellschaft sei nicht möglich. An sich ist das löblich, nur klingt das bei ihm so, als könnte man daraus ableiten, dass sich der Gestaltungswille eines Ministers, der doch für die Kunst einzutreten angetreten ist, aufs Erspüren eines Common Sense beschränkt, der Autohäuser, Baumärkte, Biergärten, Fußballspiele, Fluglinien in den Mittelpunkt rückt und, wenn die Könige für die Kaschperl irgendwann Zeit haben, auch noch die Kunst ein bisschen zulässt. Vielleicht tut man ihm da unrecht, also haben wir uns alle lieber lieb.

© SZ vom 30.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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