SZ-Kolumne "Alles Gute":Hier meine coole Socke

Corona und Alltag
(Foto: Steffen Mackert)

Das Home-Office-Dasein nervt so langsam - bis das Kind sich via Messenger in die Kommunikation mit den Kollegen einmischt. Mit schwer verständlichen Antworten und wunderbaren Fotos.

Von Annette Zoch

Wie die Kollegen wohl aussehen mögen? Immer noch langhaarig, langbärtig, schief frisiert? Seit Mitte März hat man sich nicht mehr von Angesicht zu Angesicht gesehen, nur auf mitunter eingefrorenen und verschwommenen Bildern in Videokonferenzen. Mal beim Kaffee ratschen über Urlaubspläne, über den letzten Leitartikel von dem und dem, über politische Fragen diskutieren - das fehlt.

Auch man selbst sitzt mit einem Haaransatz breit wie eine Landebahn und der alten löchrigen Jeans (jetzt ist es raus!) mit krummem Rücken auf dem Küchenstuhl und ruft: "Halloo, kann man mich jetzt hören?" in ein kleines kaltes Glasauge oben am Laptop. So ist das im Home-Office.

Es verstärkt die Ferne - aber seltsamerweise zugleich die Nähe. Im Büro sieht man nur den Kollegen selbst, aber nicht seine Dunstabzugshaube. Im Videocall bewundere ich das Playmobil hinter dem Redakteur im Regal. Bei einigen Gartenbesitzern lausche ich neidvoll dem Vogelgezwitscher im Hintergrund. Und die geblümten Rüschenvorhänge, die ich bei jüngeren Kollegen nicht erwartet hätte und aus denen sich schließen lässt, dass sie ins Elternhaus zurückgezogen sind, rühren mich.

Wäre ich Ratgeberjournalistin und würde ich quietschoptimistische Service-Artikel schreiben à la "So gelingt Home-Office mit Kind", käme hier ein wichtiger Tipp: Lassen Sie keine Tablets herumliegen, auf denen dienstlich genutzte Messenger-Programme installiert sind. "Bitte melde Dich kurz, wenn Du Zeit hast", schrieb mein Planer-Kollege von der Außenpolitik. Laut Chatverlauf reagierte ich auf diese sachlich vorgetragene Bitte mit einem unflätigen: "Ggghggggggff ggf ffggfgggg!!!"

Nach einem kurzen Moment des Schweigens versuchte der Kollege es tapfer und stoisch noch einmal: "Können wir über die Platzverteilung auf der 6 sprechen?" Als ich später in der Foto-Cloud noch verwackelte Bilder einer Spielzeugeisenbahn, aufgenommen aus etwa 98 Zentimeter Höhe, sowie Fotos einer Socke entdeckte, war die Sache klar: Mein Kind hatte sich kurz, aber energisch in die dienstliche Kommunikation eingeschaltet. Wen interessiert die Platzverteilung auf der 6, hier meine coole Socke!

Ein andermal ertönte in ein sorgfältig vorbereitetes Interview zu einem wirklich ernsthaften Thema der Schlachtruf: "Gelbwuaascht! Mama, ich will Gelbwuascht!" Wäre ich eine Ratgeberjournalistin, würde ich nun auflösen: Home-Office mit Kind gelingt nicht. Es ist höllenanstrengend und unmöglich. Aber der Interviewpartner am anderen Ende musste lachen, sagte: "Wie alt?" Und: "Kenne ich."

Seit die Spielplätze wieder offen sind, kann das Kind zum Glück wieder mit seinem Vater raus und die Mutter in Ruhe arbeiten. Beim Heimkommen neulich: "Mama, hast du heute wieder ganz viel tonnofoniert?" - "Ja, habe ich." - "Und haben die wieder alle Hallohallohallo gerufen?" Die ganze Tragik des Home-Office, das Kind hat sie verstanden.

In dieser Kolumne schreiben SZ-Redakteure wöchentlich über die schönen, tröstlichen oder auch kuriosen kleinen Geschichten in diesen vom Coronavirus geplagten Zeiten. Alle Folgen unter sz.de/allesgute

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