Bundesliga:Gladbach siegt, Thuram kniet

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Mönchengladbachs Marcus Thuram kniet nach seinem Tor zum 2:0 auf dem Rasen. (Foto: dpa)

Die Borussia hat mit Union nur zeitweise ein paar Probleme und strebt weiter Richtung Champions League. Marcus Thuram sendet nach seinem Tor eine Botschaft Richtung USA.

Von Milan Pavlovic, Mönchengladbach

Borussia Mönchengladbach bleibt eine der besten Geisterspielmannschaften der Liga: Das 4:1 (2:0) gegen Union Berlin war bereits der dritte Erfolg in einer Partie ohne Zuschauer. Vielleicht genauso wichtig: Es war der erste Heimsieg vor den Pappkameraden auf den Tribünen, die einige Beobachter für einen charmanten Einfall halten, etliche strenge Fans dagegen geschmacklos finden. In jedem Fall haben die Gladbacher nun für wenigstens 30 Stunden Platz drei erklommen und Leverkusen wieder überholt. "Das ist Ausdruck unserer Qualität und unserer Leistungen, die wir bisher gezeigt haben. Wir haben uns jetzt da oben festgebissen", meinte Gladbachs Sportchef Max Eberl nach dem Sieg.

Während die Meisterfrage mit größter Wahrscheinlichkeit beantwortet ist, verspricht der Vierkampf um drei Champions-League-Plätze große Spannung. Entweder Leipzig, Leverkusen, Gladbach oder Dortmund: Eines dieser Teams muss sich mit der Europa League abfinden.

Gegen Union schienen die Gladbacher zehn Minuten lang ihre Füße justieren zu müssen. Dann demonstrierten sie kurz, aber eindrucksvoll ihre technische Überlegenheit. Florian Neuhaus prüfte Berlins Keeper Rafal Gikiewicz mit einem frechen, strammen Ball von der Mittellinie (13.), Marcus Thuram versägte Marvin Friedrich, bevor er an Gikiewicz (16.) scheiterte. Doch keine 60 Sekunden später war der Bann gebrochen: Auch Neuhaus hängte Friedrich ab, während er in den Strafraum eindrang. Im Fallen setzte der Gladbacher einen Schuss an, der keineswegs hart war, aber total platziert: Der Ball prallte an den Innenpfosten und trudelte von dort zum 1:0 über die Linie (17.).

Die Gladbacher ließen die Gäste nun ein bisschen machen, das sah je nach Neigung souverän oder aufreizend aus. Nach vorne kombinierten die Borussen ansatzweise gefällig, Neuhaus und Stindl taten sich hervor, aber wenn es um die Zuspitzung am oder im Strafraum ging, fehlte es Thuram & Co. an der letzten Präzision. Und nach 40 Minuten stand eben immer noch nur ein trügerisches 1:0 auf der Videowand. In der 41. Minute aber schon nicht mehr. Union bemühte sich einmal nicht um Pressing. Das nutzte der sonst mitunter etwas fahrige Jonas Hofmann, um in Liberoposition in Ruhe das Spiel zu ordnen. Schließlich forcierte er das Tempo mit einem Pass an die Mittellinie, und von dort ging es noch schneller nach außen, wo Alassane Pléa eine Horde Berliner abhängte. Seine präzise Flanke erwischte die Gästeabwehr (und dort insbesondere Manndecker Neven Subotic) ungeordnet, und Marcus Thuram gelang es, den unterschnittenen Ball per Kopf mit so viel Wucht zu versehen, dass Gikiewicz keine Abwehrchance hatte.

Der Franzose bejubelte seinen Treffer kniend und mit gesenktem Kopf. Mit der Geste erinnert Thuram an den Protest von NFL-Quarterback Colin Kaepernick, der so gegen Polizeigewalt gegen Schwarze protestierte. Aktuell gehen in den USA wieder Tausende gegen Rassismus auf die Straße.

Thuram folgte damit dem Schalker Weston McKennie. "Justice for George" hatte der US-Nationalspieler am Samstag im Spiel gegen Werder Bremen (0:1) auf einen Trauerflor an seinem Arm geschrieben, Gerechtigkeit für den durch Polizeigewalt gestorbenen Afroamerikaner George Floyd. "Er hat es auf den Punkt gebracht, er hat ein Zeichen gegen Rassismus gesetzt, was wir natürlich alle komplett unterstützen", sagte Trainer Marco Rose über die Szene. "Ich glaube, dass alle das komplett mittragen, dass alle den gleichen Gedanken tragen wie er."

Zur zweiten Halbzeit erschien dann Subotic nicht mehr auf dem Feld, und man hatte fast den Eindruck, die Gladbacher hätten es ihm gleichgetan: Noch sorgloser als vor der Pause hielten sie Abstand zu ihren Kontrahenten. Das wurde prompt bestraft. Ingvartsens ungewollte Querablage landete auf dem Kopf des verwaisten Stürmers Andersson, der nur bei sehr wenigen seiner zwölf Saisontore so mühelos zum erfolgreichen Abschluss kommen durfte (50.). Aber als wäre die Borussia ein Biest, das nach einem vorzeitig beendeten Winterschlaf wütend war, ließen die Gastgeber den Ball sofort flott und zielgerichteter als zuvor zirkulieren.

Die erste Großchance zum 3:1 ließ Herrmann (nach Vorlage von Stindl) noch aus (53.). Doch nach einem energischen Ballgewinn von Hofmann übernahm Pléa die Kugel, stürmte in den Strafraum und legte scharf quer nach innen, wo Thuram zu seinem zweiten Tor einschob. Kurz danach (65.) musste der gerade erst eingewechselte Berliner Julian Ryerson nach einem (fairen) Tackling von Neuhaus ausgewechselt werden. Die Gladbacher lehnten sich nun wieder zurück, genügsam gingen sie zu Werke, und auch wenn Union so manchen Torschuss abgab - richtig gefährlich wurden die Berliner nicht mehr. Gladbach dagegen musste sich nur mal räkeln, und schon gab es Zählbares: Eine weitere feine Kombination über Stindl und Bensebaini schloss Pléa mit einem Direktschuss gekonnt ab (81.).

"Die erste Hälfte war ängstlich, da hatten wir sehr viele Abspielfehler, da haben wir Gladbach eigentlich fast eingeladen", analysierte Union-Trainer Urs Fischer später. "Wenn wir so viele Fehler produzieren, dann wird es zum Schluss eben auch schwer, ein Spiel zu gewinnen."

In der inoffiziellen Geisterspieltabelle hat Union damit erst einen Zähler geholt - als Vierzehnter der offiziellen Bundesliga-Tabelle müssen sie nun darauf achten, das Planziel Klassenerhalt nicht aufs Spiel zu setzen. Seit dem 24. Februar ist ihnen kein Sieg mehr gelungen, und so kommt es nun am kommenden Sonntag in Berlin gegen Schalke 04 zum Duell der schlechtesten Mannschaften der Geisterspieltabelle.

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