Proteste gegen Polizeigewalt:Präsident im Schutzbunker

Trump USA Proteste

Eine triumphale Rückkehr sieht anders aus: Trump am Sonntag vor dem Weißen Haus.

(Foto: AP)

Eigentlich wollte Donald Trump sich am Wochenende für einen gelungenen Raketenstart feiern lassen. Doch nun protestieren im ganzen Land Menschen gegen Polizeigewalt. Und beim Präsidenten ist von Mitgefühl wenig zu spüren.

Von Thorsten Denkler, Falmouth

Es dürfte wieder eine unruhige Nacht für US-Präsident Donald Trump gewesen sein. Die Bürgermeisterin von Washington D.C. hat zwar für den späten Abend eine mehrstündige Ausgangssperre verhängt. Nahe dem Weißen Haus haben dennoch wieder Hunderte Demonstranten ihre Wut herausgebrüllt. Die Polizei setzte Tränengas ein, als Demonstranten dort ein Feuer legten. Schon am Samstag gab es Proteste. Am Freitag wurde den Mitarbeitern des Secret Service die Sache gar so brenzlig, dass sie Trump in einen Schutzbunker unterhalb des Weißen Hauses gebracht haben, berichtete die New York Times.

Trump im Schutzbunker. Nicht gerade ein Zeichen der Stärke. Eher ein Zeichen dafür, wie unvorbereitet das Weiße Haus auf die Proteste war. Dabei wollte er am Wochenende vor allem seinen großen Sieg auf dem Gebiet der Raumfahrt feiern.

Als Trump am Samstag im Hangar des Kennedy Space Center in Florida auf die Bühne trat, dröhnt ein bekanntes Lied aus den Lautsprechern. "God Bless the USA" von Lee Greenwood. Ein Lied, so durch und durch patriotisch, als hätte es Greenwood direkt auf eine US-Flagge geschrieben. Der Song begleitet Trumps Auftritte auf fast allen seinen Wahlkampfkundgebungen seit 2016. Und wie ein Wahlkampfauftritt ist auch diese Rede inszeniert. Mit dem Unterschied, dass vor ihm keine Fans sitzen. Sondern Mitarbeiter der Nasa. Echte Pro-Trump-Stimmung mag da nicht aufkommen.

Trump hatte kurz zuvor vom Dach eines Nasa-Gebäudes den historischen Start der Falcon-9-Trägerrakete mit zwei Astronauten an Bord beobachtet. Erstmals seit neun Jahren startete wieder ein bemannter Raumflug von US-Boden aus. Und erstmals überhaupt ist das Transportgerät von einem privaten Unternehmen entwickelt und gebaut worden. Tesla-Chef und Trump-Freund Elon Musk hat es mit seinem Unternehmen Space X möglich gemacht.

Ein Tag des Triumphs also. Und somit ein Ereignis, das Trump auf keinen Fall verpassen wollte. Schon am Mittwoch war er da, da musste der Start wetterbedingt verschoben werden. Wegen solcher Unwägbarkeiten und der hohen Unfallgefahr sind in der Vergangenheit die Präsidenten meist in Washington geblieben, wenn in Florida der Countdown begann. Trump aber brauche etwas Glanz.

Denn es gibt sonst nicht viel Positives aus den Vereinigten Staaten zu berichten. Das Land ist gebeutelt von der Corona-Pandemie. Über 100 000 Tote, fast 1,8 Millionen registrierte Infizierte. Täglich werden immer noch über 20 000 neue Fälle gezählt. Wirtschaftlich erlebt das Land gerade einen brachialen Absturz. Über 40 Millionen Erstananträge auf Arbeitslosenhilfe wurden seit Beginn der Pandemie gestellt. Trump sagt, dass er auch deswegen nach Florida kommen wollte. Um etwas Zuversicht zu verbreiten.

Dazu kommt aber jetzt der mutmaßliche Mord an George Floyd in Minneapolis. Ein Polizist hatte am vergangenen Montag mehr als acht Minuten lang auf dem Hals des Afroamerikaners gekniet. Im Krankenhaus konnte später nur noch sein Tod festgestellt werden.

Das Video von der Tat hat die Nation erschüttert. Im ganzen Land gehen seit Tagen Demonstranten auf die Straßen. Angefangen in Minneapolis über New York, in Los Angeles, Denver, Atlanta, Houston, Portland, Washington D.C. - in mindestens 75 Städten gingen die Menschen auf die Straße. Sie protestieren gegen die himmelschreiende Ungerechtigkeit der Gewalt weißer Polizisten gegen schwarze Bürger. Wie von der Virus-Pandemie sind schwarze US-Amerikaner überproportional von Polizeigewalt betroffen. Ein Ausdruck des systemischen Rassismus in den USA.

In vielen Städten sind auch in der Nacht zum Montag die Proteste in Gewalt umgeschlagen. Autos wurden angezündet, Geschäfte geplündert. In Minneapolis stand in der Nacht zum Freitag eine Polizeistation in Flammen. Mancherorts sind Schüsse gefallen. Es gab Tote. In mehreren Bundesstaaten ist die Nationalgarde im Einsatz.

Reagiert wird mit Ausgangssperren. Und häufig mit brutaler Härte. In New York haben mehrere Polizisten einen Demonstranten - es lässt sich nicht anders sagen - brutal zusammengeschlagen, weil er sich seiner Festnahme widersetzt hat.

Die Lage in den USA erinnert vage an die Zeiten der Mondlandung

Trump widmet am Samstag den Protesten immerhin neun Minuten seiner Redezeit. Er liest Zeilen des Mitgefühls und des Verständnisses für die Familie von George Floyd und die Millionen wütenden Menschen da draußen wie ein Sprechroboter vom Teleprompter ab. Dann jedoch kippt sein Tonfall. Er werde nicht zulassen, dass der Mob die Straße übernimmt, droht er. Dann macht er die Antifa und "radikale Linke" dafür verantwortlich, dass die Gewalt eskaliert. Dabei klingt er dann genau so aufwiegelnd wie auf seinen Wahlkampfauftritten, die er seit März aussetzen musste und die er so schmerzlich vermisst. Umjubelt von seinen Anhängern hat er Energie getankt.

In Florida macht er alles dafür, den Erfolg des Space X-Programms als seinen zu verkaufen. Dabei hat schon Präsident George W. Bush die Privatisierung der Raumfahrt in Gang gesetzt. Und unter Präsident Obama wurden die Verträge für bemannte Raumflüge auf kommerziellen Trägersystemen unterzeichnet. Trump schreibt die Geschichte um. Vor drei Jahren sei die US-Raumfahrt quasi tot gewesen, sagt er. Er habe sie wieder zum Leben erweckt. Und jetzt stünden sie hier und US-Amerikaner starten wieder von US-Boden aus in den Himmel.

Das alles erinnert vage an die erste Mondlandung mit Apollo 11 am 20. Juli 1969. In Vietnam haben sich die USA in einen Krieg verzettelt, den sie nicht gewinnen konnten. Und im Inland wuchsen die sozialen Probleme. Ein Fünftel der Bevölkerung lebte in Armut, ohne ausreichende Gesundheitsversorgung, ohne genügend Essen. Währenddessen verschlang das Weltraumprogramm Unsummen an Geld. Am Abend bevor Apollo 11 abhob, konfrontierte der Bürgerrechtsaktivist Ralph Abernathy zusammen mit 500 Mitstreiten Nasa-Verantwortliche und erklärte: "Ich bin hier, um gemeinsam mit armen Menschen symbolisch gegen die tragische und unentschuldbare Kluft zwischen Amerikas technologischen Fähigkeiten und unseren sozialen Ungerechtigkeiten zu demonstrieren." Ein vergessener Moment. Die geglückte Mondlandung hat sehr erfolgreich von all diesen Problemen abgelenkt.

Solchen Einfluss wird der Start der Crew-Dragon-Kapsel nicht haben. Raumfahrt ist ein Alltagsgeschäft geworden. Auch wenn Trump versucht, den Start als Beweis amerikanischer Widerstandsfähigkeit zu deuten. "Wir werden daran erinnert, dass Amerika immer große Herausforderungen gemeistert hat", sagt er. "Der gleiche Geist amerikanischer Entschlossenheit, der unser Volk in den Weltraum schickt", werde auch die Pandemie besiegen. "Nichts, nicht einmal die Schwerkraft selbst kann die Amerikaner aufhalten."

Das muss jetzt nur noch das Virus kapieren.

Ein Präsident ohne Empathie

Die Proteste hat Trumps Auftritt nicht aufhalten können. Die gehen unvermindert weiter. Und Trump hat daran immer mehr Anteil.

Am Sonntag hat er sich öffentlich nicht blicken lassen. Seine Berater hatten ihm vorgeschlagen, in einer Fernsehansprache erneut Mitgefühl für die Opfer zu zeigen. Wohl auch, weil die Rede nach dem Raketenstart, zumindest der erste Teil, nicht so umfassend aufgenommen wurde, wie sie es sich gewünscht hatten. Trump lehnte offenbar ab.

Auf Twitter legte er dann jedes angebliche Mitgefühl ab, das ihm seine Berater am Vortag noch ins Manuskript geschrieben hatten. Er wetterte in altbekannter Manier gegen die Medien, gegen die "Anarchisten" auf den Straßen, gegen demokratische Bürgermeister, die angeblich nicht hart genug gegen die Demonstranten vorgingen. Er lobte sich selbst für den Einsatz der Nationalgarde in Minneapolis, die tatsächlich vom demokratischen Gouverneur von Minnesota, Tim Walz, aktiviert worden ist. Und zwischendurch kündigte er an, die Antifa, also Gruppen, die sich dem Kampf gegen Faschismus verschrieben haben, als terroristische Vereinigung einzuordnen. Über 400 000 US-Amerikaner haben im Zweiten Weltkrieg ihr Leben im Kampf gegen den Faschismus geopfert.

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Trump aber fordert "law and order" ein. Und versucht damit ein Rezept von 2016 neu anzurühren, das ihn damals ins Weiße Haus gebracht hat. Die vielen friedlichen Proteste ignoriert er. Und schert alle als "radikale Linke" über einen Kamm. Die Gründe für den Protest, für die über Jahre aufgestaute Wut, nennt er nicht. Und gießt damit noch Öl ins Feuer.

Da fehlt auch treuen Parteigängern das Verständnis: "Das sind ohne Frage keine konstruktiven Tweets", sagte Senator Tim Scott aus South Carolina, in einem Interview mit dem streng konservativen Sender Fox News. Er ist der einzige schwarze Republikaner im Senat und Trump-Unterstützer. Die demokratische Bürgermeisterin von Atlanta, Keisha Lance Bottoms, sagte auf CNN: "Er sollte einfach aufhören zu reden." Es gebe Zeiten, "in denen du einfach nur ruhig sein solltest, und ich wünschte, er wäre einfach ruhig." Und der republikanische Gouverneur von Maryland sagte auf dem gleichen Sender über Trump: "Er senkt nicht die Temperatur. Er eskaliert die Rhetorik weiter." Das sei genau das Gegenteil der Botschaft, die aus dem Weißen Haus kommen sollte.

Anm. d. Red.: In einer früheren Version stand, die erste Mondlandung hätte am 24. Juli 1969 stattgefunden. Tatsächlich fand sie am 20. Juli statt. Wir haben die Stelle präzisiert.

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