Proteste in den USA:Trump ist ein Maulheld, ungeeignet für sein Amt

Der Präsident müsste Trauer zeigen und die Lage beruhigen. Doch er heizt das Feuer der Aufstände noch an.

Kommentar von Kurt Kister

Wenn man in den Vereinigten Staaten kontrovers über einen Präsidenten diskutiert, streitet man sich gerne auch immer wieder über die Floskel, ob der Protagonist wohl unfit to be President sei, ungeeignet für das Amt des Präsidenten. Donald Trump ist zweifelsohne unfit to be President. Man muss dafür nicht einmal seine zahlreichen Lügen, seine gefährliche Großmannssucht oder seine aus der Welt des Unreality-Fernsehens in die Wirklichkeit entsprungene Persönlichkeit in Betracht ziehen. Es reicht leider völlig aus, sein Verhalten in der George-Floyd-Krise zu betrachten.

George Floyd war jener Afroamerikaner, der von einem weißen Polizisten in Minneapolis vor Zeugen offenbar umgebracht worden ist. Seit Floyds Tod gehen Wellen des Protests über Städte in den USA hinweg; die meisten Demonstranten sind zornig, aber friedlich. Allerdings gibt es auch andere: Randalierer, Gewalttäter, Plünderer. Häufig bestimmen leider Letztere die Bilder aus den Städten.

Vielleicht auch, weil Trump grundsätzlich in einfachen Bildern denkt, sieht er in den landesweiten Protesten in erster Linie die Randalierer. Und denen begegnet er, Maulheld, der er ist, mit Tweets und Machoreden, in denen sie mit dem Militär, mit Secret-Service-Agenten und mit böswilligen Hunden bekämpft werden sollen. Schon diese Wortwahl - "vicious dogs" - legt nahe, dass der mächtigste Mann Amerikas zumindest einen Teil seines Vokabulars, möglicherweise auch seines konfrontativen Denkens aus der Welt der Marvel-Helden bezieht, in der es Superschurken und Superhelden gibt. Natürlich zählt sich The Donald zu den Superhelden.

Die größte Gefahr aber, die dieser Präsident im Moment bedeutet, liegt daran, dass er sein aggressives Geschwätz wahrmachen könnte. Sollte er, sich im Recht fühlend, auf der Basis eines mehr als 200 Jahre alten "Aufstands"-Gesetzes, Militär gegen friedliche Demonstranten und gewalttätige Randalierer einsetzen, wäre dies eine kaum mehr zu kontrollierende Eskalation. Man muss, in diesem Fall gerade in den USA, sehr vorsichtig sein mit historisch belasteten Begriffen.

Es herrscht kein Bürgerkrieg, denn der Bürgerkrieg zwischen 1861 und 1865 war der blutigste Krieg in der Geschichte Nordamerikas mit mehr als 600 000 Toten. Aber dieser Bürgerkrieg wurde eben auch über die Behandlung von Schwarzen ausgefochten; es war der Krieg eines Landesteils gegen den anderen, in dem man das Halten von schwarzen Sklaven als ein Recht freier Bürger verstand. Der Norden gewann, aber die Schwarzen gewannen nicht. Die anhaltende Unterdrückung der afroamerikanischen Bevölkerungsminderheit, das spezifische US-Apartheidssytem im Süden der USA bis in die Siebzigerjahre hinein wirken bis heute fort. Hinter Slogans wie "keine Gerechtigkeit, kein Frieden", die heute vor Trumps Weißem Haus gerufen werden, steht diese Erfahrung.

Es ist die Aufgabe auch des Präsidenten, in einer solchen Lage zu beruhigen, mitzutrauern, zu debattieren. Das ist besonders wichtig, weil der gegenwärtige Aufruhr mit der amerikanischen Erbsünde, der Sklaverei und dem Rassismus, zusammenhängt. Das haben Polizeichefs, die mit Demonstranten reden, genauso verstanden wie Prominente und Nichtprominente, die für George Floyd einen Kniefall machen.

Donald Trump hat es nicht verstanden. Er will mit Gewalt das wieder herstellen, was er für Recht hält. Seine Reaktionen bisher waren kleinlich, eskalierend und beschämend. Sie waren so, weil Donald Trump ungeeignet für das Amt des Präsidenten ist.

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