Protest in der Bundesliga:Was sollte auf dem Platz erlaubt sein?

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Achraf Hakimi und Jadon Sancho zeigen ihre Solidarität mit dem durch Polizeigewalt zu Tode gekommenen Afroamerikaner George Floyd. (Foto: Ralf Ibing firosportphoto/POOL)

Der DFB wird im Fall der Protestaktionen wohl keine Strafen verhängen. Aber allein die Prüfung des Vorgangs und die Frage, was im Wiederholungsfall geschieht, führt zur Debatte, ob man die Regel der verbotenen politischen Botschaften anpassen sollte.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Den ersten Widerstand gegen seine Solidaritätsaktion verspürte Weston McKennie schon auf dem Spielfeld. Am Samstag trug der amerikanische Mittelfeldspieler von Schalke 04 in der Partie gegen Werder Bremen eine Armbinde mit der Aufschrift "Justice for George" (Gerechtigkeit für George), um gegen den brutalen Tod von George Floyd, Rassismus und Polizeigewalt zu protestieren. Aber noch während des Spiels habe ihn Schiedsrichter Felix Zwayer gebeten, diese Binde abzulegen, erzählte McKennie, 21, dem US-Magazin Forbes - was der Referee bestreitet. Er habe den Spieler nur aufgefordert, ein am Handgelenk befestigtes Lederarmband abzunehmen, so Zwayer. Jedenfalls blieb die Solidaritäts-Armbinde dran, und nun stehen deshalb sogar Sanktionen im Raum. Der DFB-Kontrollausschuss will die Sache "eingehend prüfen", weil politische Botschaften auf dem Spielfeld gemäß Reglement nicht erlaubt sind. Aber McKennie ficht das nicht an. Er will weiter protestieren, und zu einer möglichen Bestrafung sagt er: "Wenn ich die Konsequenzen dafür tragen muss, dass ich meine Meinung äußere, meine Gefühle äußere; dass ich für das aufstehe, an das ich glaube, dann muss ich das tun."

Aber McKennie war mit seinem Protest kein Einzelfall, und so stellt sich die Frage, wie der DFB mit dem Thema weiter umgeht. Gleich vier Spieler hat das Kontrollgremium dem Vernehmen nach angeschrieben: Neben McKennie noch die Dortmunder Jadon Sancho und Achraf Hakimi, die T-Shirts mit der Aufschrift "Justice for George Floyd" präsentierten, und den Gladbacher Marcus Thuram, der nach einem Tor niederkniete. Bis Mittwoch, zwölf Uhr, müssen sie sich demnach äußern, spätestens am Donnerstag dürfte es eine Entscheidung geben. Sollte es eine wirkliche Sanktion geben, wäre das sehr überraschend. Die wahrscheinlichste Variante ist, dass die Spieler ermahnt werden, diese Art von Botschaften künftig zu unterlassen.

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Mehrere Profis gedenken auf dem Platz des getöteten Afroamerikaners George Floyd - die Klubs unterstützen die Solidaritätsaktion. Aber ob das durchgeht bei den Regelhütern? Vermutlich nicht.

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Der DFB-Sportrichter Hans E. Lorenz, dessen Gremium im Zweifel über eine Sanktion zu befinden hätte, warb jedenfalls schon mal dafür, die Proteste "mit Augenmaß" zu behandeln. "In der Vergangenheit war es üblicherweise so, dass die betroffenen Spieler vom Kontrollausschuss ermahnt wurden", ergänzte er.

Schon in der Vergangenheit verzichtete der DFB auf Sanktionen

In der Tat gab es in der Vergangenheit bei vergleichbaren Aktionen keine Sanktionen. So zeigte der Kölner Anthony Ujah 2014 ein T-Shirt mit der Aufschrift "I can't breathe" (Ich kann nicht atmen) - das waren die letzten Worte des kurz zuvor gewaltsam verstorbenen Eric Garner. Zur selben Zeit widmete der damalige Frankfurter Haris Seferovic ein Tor der Studentin Tugce, die durch ihre Zivilcourage zum Todesopfer einer Gewalttat geworden war.

Besonders skurril würde eine Strafe auch vor dem Hintergrund wirken, welche anderen Botschaften nicht sanktioniert wurden. So bejubelte der kroatische Nationalstürmer Mario Mandzukic 2012 im Trikot des FC Bayern ein Tor mit einem Gruß an kroatische Kriegsgeneräle - der DFB beließ es bei einer Ermahnung. Europas Fußball-Verband (Uefa) sah sich nicht einmal zu hartem Durchgreifen veranlasst, als diverse türkische Nationalspieler im Herbst 2019 in gleich zwei Partien nacheinander den Salut-Jubel zeigten - als Unterstützung für einen international vielkritisierten Angriff der türkischen Armee auf Kurden. Da blieb es bei Ermahnungen und einer Geldstrafe in Höhe von 50 000 Euro für den türkischen Verband.

Warum muss der Kontrollausschuss überhaupt einschreiten?

Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass das Thema mit dieser Woche und einer eventuellen Ermahnung für einige Spieler erledigt ist. Die Proteste in den USA werden anhalten, und damit auch die Solidaritätsaktionen von Sportlern. Ein Wiederholungsfall würde sportjuristisch interessant werden - und die Fußball-Verbände zu sportrechtlichen Positionierungen zwingen. DFB-Präsident Fritz Keller sagte am Montag, er habe "großen Respekt vor Spielerinnen und Spielern, die Haltung haben und ihre Solidarität zeigen" - und ergänzte: "Moralisch kann ich die Aktionen am vergangenen Wochenende absolut verstehen. Was in den USA passiert ist, kann niemanden kalt lassen." Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) äußerte sich bisher nicht zu den Aktionen von McKennie & Co.

In jedem Fall intensiviert sich nun die Debatte, welche Äußerungen auf dem Platz erlaubt sein sollen - und wo gegebenenfalls die Grenzen zu ziehen sind. Kölns Manager Horst Heldt etwa plädiert für mehr "Spielraum". Derzeit untersagen die Regeln grundsätzlich politische Botschaften. Das ist in einem gewissen Sinne auch verständlich, damit nicht etwa kriegerische Konflikte oder parteipolitische Werbung auf dem Spielfeld ankommen. Doch es ist die Frage, warum ein Eintreten einzelner Akteure gegen Rassismus und Polizeigewalt überhaupt eine in diesem Sinne politische Botschaft sein soll. Viele Verbände initiieren selbst regelmäßig Anti-Rassismus-Kampagnen. Die Kapitäne von Wolfsburg und Frankfurt trugen schon häufiger Spielführerbinden mit Regenbogen- bzw. Europa-Fahne, um für allgemeine Werte und Menschenrechte einzustehen. Das führte nachvollziehbarerweise auch nicht zu sportjuristischen Aktivitäten. Weston McKennie jedenfalls will den Protest fortsetzen. "Wenn du dies wirklich als politische Botschaft sehen willst, dann weiß ich nicht, was ich sagen soll", sagt der Schalker. Am nächsten Spieltag fehlt er zwar wegen einer Gelbsperre, aber danach gegen Leverkusen, sagte er Sport1, lasse er sich vielleicht etwas einfallen.

© SZ vom 03.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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