Österreich:Kaschieren, Verharmlosen und Verdrängen

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Heinz-Christian Strache bei einer Veranstaltung seiner neuen Partei.

(Foto: REUTERS)

Lange sah es aus, als könnte nichts Heinz-Christian Strache zu Fall bringen. Nun ist es vorbei - dabei hätte er es in der Hand gehabt, die Situation abzuwenden.

Kommentar von Oliver Das Gupta

Heinz-Christian Straches Politikerkarriere ist in Aufstieg und Niedergang gleichermaßen bemerkenswert. Vor etwas mehr als einem Jahr fegte die Veröffentlichung des Ibiza-Videos den österreichischen Rechtspopulisten aus dem Vizekanzleramt und FPÖ-Vorsitz.

Seitdem ging es weiter bergab: eine Affäre um Spesen, der Rauswurf aus seiner Partei, Rückzug ins Privatleben und Rückkehr in die Politik, neue Korruptionsvorwürfe. Die kommenden Wochen und Monate werden für Strache kaum besser werden. Der nun beginnende Ibiza-Untersuchungsausschuss des österreichischen Parlaments dürfte weitere Unannehmlichkeiten für den 50-Jährigen zutage fördern.

Hinzu kommt jetzt die von der SZ publik gemachte antisemitische Widmung, die Strache offensichtlich Anfang der Neunzigerjahre in ein ebenso antisemitisches Buch geschrieben hat - ein Pamphlet, das entstand, als im Holocaust sechs Millionen Juden ermordet wurden.

Über seinen Anwalt erklärt Strache nun, er könne sich weder an das Buch noch an die handschriftlich verfasste Widmung erinnern, in der Juden als angeblich "machtlüstern" und als "Gegner" bezeichnet werden. Er distanziert sich vom Inhalt, aber dementiert seine Autorenschaft nicht. Stattdessen spricht er von einer "Kampagnisierung aus dem Ausland" und betont, sich seit Jahren gegen Antisemitismus auszusprechen und für Israel starkzumachen.

Varianten dieser Verteidigungsstrategie folgt Strache seit Jahren, wenn Bruchstücke seiner Zeit im Neonazi-Milieu bekannt werden: Erinnerungslücken, Beschönigungen, Opferrolle statt Transparenz, Aufklärung und glaubwürdigem Bedauern.

Strache hätte es in der Hand gehabt, seine Position zum Positiven zu wenden. 2007 schon, als die ersten Fotos von Wehrsportübungen mit Neonazis auftauchten, hätte er reinen Tisch machen können. Eine Offenlegung seiner früheren Aktivitäten in diesem Milieu hätte einen Bruch mit der bräunlichen Vergangenheit bedeutet, möglicherweise auch mit alten Freunden. Und sie hätte ihm die Chance gegeben, Glaubwürdigkeit zu gewinnen - gerade was das Verhältnis zu Juden und Israel betrifft.

Strache hat sich dagegen für das Kaschieren, Verharmlosen und Verdrängen entschieden. Und lange schien ihm der Erfolg recht zu geben. Aggressiv, laut und unverschämt wie kein anderer gebärdete er sich in der österreichischen Innenpolitik, er wetterte gegen Ausländer und Muslime, einen früheren Bundeskanzler schmähte er als "Staatsfeind".

Seine pausenlosen Tiraden schadeten Strache nicht, sie machten ihn populärer. Soziale Medien und manchen Boulevardjournalisten fütterte er mit Parolen, Aufregern und Partybildern. Verbale Aussetzer und Peinlichkeiten perlten an ihm ab.

Ein Idol für alle, die von einem orbánesken Europa träumen

Nichts schien Strache aufhalten zu können. Die FPÖ wurde auch durch seine Agitation zur Großpartei, er selbst landete schließlich im Vizekanzleramt. So avancierte der Nachfolger Jörg Haiders zum Prototyp des rechten Popstars, zu einem Idol für alle, die von einem orbánesken Europa träumen. Auch in der AfD galt Strache als Partner und Vorbild.

Seit Ibiza ist das vorbei. Binnen Monaten wurde er zum Polit-Paria. Strache ist nicht mehr das Gesicht des erfolgreichen Rechtspopulismus. Sein Name steht für Unehrlichkeit in der österreichischen Politik - und nun auch für Antisemitismus.

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