Enercon:Dauerkrise beim Windrad-Hersteller

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Mitarbeiter vom Windkraftbauer Enercon demontieren eine Rotornabe bei Wartungsarbeiten auf einem Feld in der Region Hannover. (Foto: dpa)

Da in Deutschland weniger Windräder gebaut werden, setzt Enercon nun auf mehr Aufträge und Komponenten aus dem Ausland. Ein weiterer Stellenabbau steht bevor.

Von Benedikt Müller-Arnold, Köln

Enercon war lange ein Vorzeigeunternehmen der Energiewende. Die Firma aus Ostfriesland plant, baut und betreibt Windräder an Land. Etwa jedes zweite Windrad, das sich auf hiesigen Feldern dreht, wurde einst von Enercon gebaut - in einem komplizierten Netzwerk aus Fabriken, vor allem in Nord- und Ostdeutschland. Ein Geschäft mit Wachstum, Hoffnung für die Regionen, jahrelang.

Doch seit 2018 deutlich weniger Windparks an Land neu entstehen, steckt auch Enercon in der Krise. Schwierige Rahmenbedingungen kommen zusammen mit wachsender Konkurrenz aus dem Ausland - und hausgemachten Problemen. Nun hat sich das Unternehmen, gegründet 1984 als Pionier der Windenergie, zwar eine Finanzierung für die nächsten Jahre gesichert und hofft auf Wachstum im Ausland. Doch wie viel Windanlagenbau in Zukunft noch in Deutschland bleibt, scheint fraglich.

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Denn bislang setzte Enercon auf europäische Zulieferer und viel Eigenfertigung. "Hier steht nun eine starke Internationalisierung an", kündigt Restrukturierungschef Martin Prillmann an. "Wir werden in Zukunft auch Partner in Staaten wie Indien oder China benötigen. Damit wird ein weiterer Personalabbau hierzulande einhergehen." Wie viele Stellen betroffen sind, könne er noch nicht beziffern. "Wir werden versuchen, die Produktionsstätten so auszurichten, dass sie entweder allein oder in anderen Gebilden überlebensfähig sind." Schon vorigen November hatte Enercon angekündigt, 3000 Arbeitsplätze abzubauen, vor allem in der Produktion von Rotorblättern.

Heutzutage müsse sich die Stromerzeugung einem industriellen Standard stellen, sagt Firmenchef Hans-Dieter Kettwig. "Es geht weltweit darum, die Kilowattstunde möglichst günstig und möglichst verlässlich zu produzieren." Hier stehen Unternehmen wie Enercon nun einem ähnlichen Preiswettbewerb gegenüber, wie ihn die Solarbranche nach der Jahrtausendwende durchlitt, als die Produktion nach und nach gen Asien abwanderte.

Enercon leidet zudem darunter, dass die Firma bislang vor allem in Deutschland Windräder verkauft und betreibt. Doch der hiesige Markt wächst kaum noch, seitdem der Staat 2017 die Fördermodelle für Windparks an Land reformiert hat. Auch Mindestabstandsregeln bremsen den weiteren Ausbau; vielerorts regt sich Widerstand gegen neue Mühlen in der Nachbarschaft. Neben Enercon haben auch andere Windanlagenbauer Werke geschlossen. Die Hamburger Firma Senvion meldete vorigen Sommer Insolvenz an.

"Wir gehen davon aus, dass der deutsche Markt für Windenergie an Land erst frühestens 2022 wieder Fahrt aufnehmen wird", sagt Enercon-Chef Kettwig. Auch die Corona-Pandemie trägt in diesem Jahr dazu bei, dass sich manche Genehmigungen verzögern oder Windparks später als geplant ans Netz gehen. "Wir planen dieses Jahr noch mit einem Verlust", sagt Restrukturierungsvorstand Prillmann, "auch angesichts unseres Umbaus." Enercon hatte bereits vergangenes Jahr mit einem Minus abgeschlossen.

Dementsprechend will das Unternehmen künftig deutlich mehr Windräder im Ausland verkaufen. "Deutschland soll für uns in Zukunft ein Markt unter vielen sein", so Kettwig. Auch Staaten wie Frankreich oder Belgien, Schweden oder Norwegen seien wichtig. "In Großbritannien tut sich wieder einiges, daran möchten wir partizipieren. Und mit der Internationalisierung im Einkauf werden wir auch verstärkt in Asien aktiv werden." Schon in den vergangenen Jahren hatte Enercon erste Aufträge in Vietnam oder Korea.

Enercon will sich mit dem Bau begnügen, Stromproduktion und Betrieb von Windparks abspalten

Die Zeiten, in denen das Unternehmen die gesamte Wertschöpfungskette der Windenergie abgedeckt hat, sollen ohnehin bald vorbei sein. Enercon will sich künftig darauf beschränken, Windanlagen an Land zu entwickeln, zu verkaufen und zu warten. Die Stromerzeugung und den Betrieb eigener Windparks wollen die Ostfriesen hingegen in eine neue Firma überführen. Ende April hat Enercon hierfür eine Absichtserklärung über ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem norddeutschen Versorger EWE unterzeichnet. Nun prüfe man das Vorhaben, sagt Kettwig. "Unser Ziel ist, dass wir bis Anfang Winter wissen, ob wir zueinanderfinden oder nicht." Wenn die Enercon-Seite mehr Windparks in den Verbund einbrächte als EWE, könnte die Aloys-Wobben-Stiftung im Gegenzug einen finanziellen Ausgleich erhalten; das Geld könnte sie dann wieder in die Firma investieren. Die Stiftung wacht über das Vermögen des Unternehmensgründers.

Für die neuen Kerngeschäfte, darunter vor allem den Bau von Generatoren oder das Design von Rotorblättern, hat Enercon nun - nach langen Verhandlungen - eine Finanzierung abgeschlossen, wie die Firma mitteilt. Beteiligt seien mehrere Banken sowie die Aloys-Wobben-Stiftung. Neben einem bestehenden Kredit umfasse der Vertrag neue Garantien, die Enercon gerade für größere Windparkprojekte im Ausland benötigt. Damit hat die Firma nun finanzielle Planungssicherheit bis Ende 2023. Für viele Beschäftigte und Zulieferer hingegen geht die Ungewissheit weiter.

© SZ vom 04.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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