USA:Verteidigungsfall

Das Militär stellt sich gegen Donald Trump und dessen Pläne, Soldaten gegen Demonstranten einzusetzen: Klingt erfreulich, aber ist das wirklich eine gute Nachricht? Besser wäre es, das Wahlvolk würde die Demokratie vor diesem Präsidenten retten.

Von Hubert Wetzel

Zuerst die gute Nachricht: Das amerikanische Militär stellt sich gegen Donald Trump. Eine ganze Reihe ehemaliger Generäle hat voller Abscheu - und vermutlich stellvertretend für das aktive Offizierskorps - die Drohung des Präsidenten kritisiert, er werde die reguläre Armee gegen Demonstranten und Randalierer einsetzen. Verteidigungsminister Mark Esper hat dem Präsidenten öffentlich widersprochen. Und Generalstabschef Mark Milley hat alle Soldaten daran erinnert, dass sie einen Eid auf die Verfassung geschworen haben - nicht auf Trump. Diese garantiere Versammlungs- und Redefreiheit.

Besonders scharf äußerte sich Trumps erster - und später im Zorn geschiedener - Verteidigungsminister James Mattis, ein mit Orden behängter früherer General der Marineinfanterie. Mattis rechnete gleich mit Trumps gesamter Amtszeit ab. Drei Jahre lang habe der Präsident nichts anderes gemacht, als die Amerikaner zu spalten und gegeneinander aufzuhetzen. Und jetzt, wo ihm alles um die Ohren fliege, rufe er nach dem Militär.

Die Offiziere haben recht. Trump ist ein Mann, der einmal voller Respekt darüber geredet hat, wie das chinesische Regime die Studentenproteste zusammenschießen ließ. In seiner Vorstellung drückt sich politische Stärke in militärischer Macht aus. Und Trump will stark erscheinen - zumal jetzt, da er eingekeilt ist zwischen mehreren massiven Krisen, die seine Wiederwahl gefährden.

Aber es wäre eine Tragödie, wenn amerikanische Soldaten dazu missbraucht würden, auf amerikanische Bürger zu schießen, damit Donald Trump zeigen kann, dass er ein starker Kerl ist. Die Krawalle und Plünderungen, die die USA seit dem Tod des Schwarzen George Floyd erschüttern, sind kriminell, gefährlich und falsch. Doch sie haben soziale und politische Gründe, die sich militärisch nicht lösen, sondern nur anheizen lassen.

Die öffentliche Ordnung zu wahren oder wiederherzustellen, ist in einer Demokratie Aufgabe der Polizei - notfalls mit verhältnismäßiger Gewalt, wenn auch nicht mit der wahllosen Brutalität, die man derzeit oft sieht. Zur Unterstützung können US-Gouverneure die Nationalgarde anfordern. Die Armee gegen die eigene Bevölkerung marschieren zu lassen - das sollten amerikanische Präsidenten den Putschisten und Diktatoren dieser Welt überlassen.

Und jetzt die schlechte Nachricht: Das amerikanische Militär stellt sich gegen Donald Trump. Denn genauso wenig, wie in einer Demokratie die Armee Polizeiaufgaben übernehmen sollte, sollten sich in einer Demokratie Offiziere in die Politik einmischen. Dass das offenbar nötig ist, zeigt nur, in welch prekärem Zustand die amerikanische Politik ist.

Eigentlich müssten es die republikanischen Senatoren und Abgeordneten im Kongress für ihre Pflicht halten, Amerikas Verfassung, Amerikas Demokratie und das Leben von Amerikas Bürgern zu verteidigen - und sei es gegen den Wahnsinn des eigenen Präsidenten. Aber die Republikaner haben längst vor Donald Trump kapituliert. Einige Parlamentarier drängen den Präsidenten sogar dazu, die Armee einzusetzen. Der Rest der Partei duckt sich feige weg.

Doch die USA sind immer noch eine Demokratie. Und am 3. November ist Wahltag. Vielleicht rettet das amerikanische Volk sich selbst und das Land ja dann ganz friedlich vor Donald Trump.

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