Polen:Der Gesundheitsminister, der die falschen Masken kaufte

Lukasz Szumowski, Poland s Minister of Health holds a press conference on the pandemic of coronavirus Lukasz Szumowski,

Coronaheld mit fragwürdigen Geschäftsfreunden: Polens Gesundheitsminister Łukasz Szumowski.

(Foto: Tomasz Jastrzebowski/imago; Bearbeitung SZ)

Łukasz Szumowski galt als neuer Star der polnischen Politik, in der Corona-Krise schossen seine Umfragewerte in die Höhe. Bis er Schutzmaterial ohne Zertifikate anschaffte.

Von Florian Hassel, Warschau

Vor zweieinhalb Monaten war Łukasz Szumowski der neue Star der polnischen Politik, scheinbar unaufhaltsam auf dem weiteren Weg nach oben. Als Warschau in der Coronakrise Mitte März den Shutdown befahl, informierte der zuvor weithin unbekannte Gesundheitsminister, er ist selbst Kardiologe, täglich ruhig und kompetent. Seine Umfragewerte schossen in die Höhe. Polens Fernsehen und Boulevardmedien überboten sich mit bewundernden Geschichten über den Arzt und Boxfan Szumowski.

Doch am 12. Mai begannen Szumowskis politische Ikarusflügel zu schmelzen. Da veröffentlichte die Gazeta Wyborcza auf der Grundlage ihr zugespielter SMS und abgehörter Gespräche eine explosive Geschichte über den Skilehrer Łukasz G. G. betreibt in Zakopane, dem Ski- und Kurort für die bessere Gesellschaft im Süden Polens, eine Pension und Skischule. Viele Prominente sind seit Jahren seine Gäste, auch aus der regierenden PiS-Partei, etwa Gesundheitsminister Szumowski und seine Familie. Am 16. März, so legen es die von Gazeta Wyborcza veröffentlichten SMS und Mitschnitte nahe, kontaktiert der Skilehrer den Bruder des Gesundheitsministers. Ob man in der Coronakrise Bedarf an Schutzmasken habe? Der Bruder des Ministers, selbst Besitzer einer Gesundheitsfirma, bejaht und vermittelt den Skilehrer an den Vize-Gesundheitsminister. Schließlich kauft das Ministerium 130 000 Masken - für weit mehr als eine Million Euro.

Seinen Vermögenserklärungen zufolge ist der Minister ein armer Mann

Die Masken sind laut Fachleuten nicht nur selbst unter den Maßstäben der Coronakrise überteuert, ihnen fehlen auch die notwendigen Qualitätszertifikate. Das Geschäft ist nicht das einzige, bei dem der Staat danebengriff: Im April kaufte Polen Masken mit offenbar gefälschten Zertifikaten, die EU-Standards zu bestätigen schienen. Derlei passierte auf dem Höhepunkt der Krise auch anderen Ländern. Allerdings fuhren dort nicht der Premier, Minister und Parteigrößen zum Flughafen, um die Ankunft des Flugzeuges mit den sich dann als Pfusch erweisenden Masken live im Staatsfernsehen übertragen und als großen Erfolg feiern zu lassen - wie es in Polen am 14. Mai geschah.

Während wohlwollende Beobachter die Flughafen-Affäre mit schlichter Inkompetenz erklärten, weckten die Maskengeschäfte des Skilehrers und die Art ihrer Anbahnung Misstrauen wegen möglicher Vetternwirtschaft oder gar Korruption. Und dies war nur der Anfang: Die Gazeta Wyborcza nahm sich auch die Finanzen des Gesundheitsministers vor. Seinen Vermögenserklärungen zufolge ist der Minister mit Ersparnissen von nur rund 300 Euro ein armer Mann.

Ein paar Jahre zuvor besaß er jedoch noch ein knappes Drittel der hauptsächlich seinem Bruder Marcin gehörenden Holding Szumowski Investments - jedenfalls bis er die Anteile seiner Ehefrau Anna überschrieb. Die Hauptfirma der Holding, OncoArendi Therapeutics, hat Gazeta Wyborcza zufolge in den letzten Jahren Projekte von umgerechnet gut 67 Millionen Euro zur Erforschung neuer Medikamente zugesprochen bekommen. Die Projekte würden überwiegend mit EU-Geld finanziert und seien vor allem von Ministerien oder angeschlossenen Forschungseinrichtungen bewilligt worden, in denen Łukasz Szumowski erst als Vize-Forschungsmininister, dann als Gesundheitsminister arbeitete. Dabei habe die Firma, so die Zeitung, seit ihrer Gründung vor acht Jahren kein einziges Medikament zur Marktreife gebracht.

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Polens Opposition forderte erfolglos den Rücktritt oder die Entlassung des Ministers, der jedes Fehlverhalten bestreitet. Die Entscheidung in derlei Fällen fällt nicht im Parlament oder durch den Regierungschef, sondern in der PiS-Parteizentrale, bei Jarosław Kaczyński. Der befand nach einem Treffen mit Szumowski am vergangenen Freitag offenbar, dass die Partei im laufenden Präsidentschaftswahlkampf zu viel in den angeblichen Starminister investiert habe, um ihn jetzt fallen zu lassen. Nach der Audienz beim Parteichef feierte Premier Mateusz Morawiecki den Gesundheitsminister wieder als einen der Männer, die Polen vor Erschütterungen durch die Coronakrise wie im Westeuropa bewahrt habe.

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