Datenschutz:Streit über Mails und Videochats in Schulen

Coronavirus - Grundschule in Oranienburg

Eine Lehrerin in Oranienburg sitzt in ihrem leeren Klassenzimmer vor einem Laptop.

(Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Ist es ein Skandal, wenn Lehrkräfte Zoom oder Whatsapp nutzen, um Schüler während der Pandemie zu unterrichten? Eine Bußgeld-Drohung in Thüringen wirft grundsätzliche Fragen auf.

Von Simon Hurtz, Berlin

Vor einigen Monaten war es in Deutschland noch unvorstellbar, dass Millionen Schüler digital unterrichtet werden. Das hat sich in der Pandemie geändert; aber nicht weil sich Schulen im Eiltempo digitalisiert hätten, sondern eher weil sich viele Lehrkräfte engagiert haben. Sie versuchen, die Versäumnisse der vergangenen Jahre mit Eigeninitiative wettzumachen. Das ist pragmatisch - aber nicht immer datenschutzkonform, wie sich zeigt.

In Thüringen ist deshalb nun eine heftige Debatte entstanden: Am Donnerstag hatte der Landesdatenschutzbeauftragte Lutz Hasse angekündigt, er prüfe Bußgelder für Lehrkräfte, die womöglich gegen Vorschriften verstoßen hätten. Das löste harsche Reaktionen von Politik, Gewerkschaften und Lehrerverbänden aus, auf die Hasse sich wiederum noch entschlossener äußert. "Wo viel Rauch ist, da ist auch Feuer", sagt er der SZ. "Ich werde der Sache auf den Grund gehen."

Hasse prüft Bußgelder in wenigen Fällen

Es geht um die Frage, welche Software, Cloudspeicher und Kommunikationsplattformen Lehrkräfte nutzen dürfen. Hasse gibt als Beispiel nur Whatsapp an und will "aus wettbewerbsrechtlichen Gründen" keine weiteren Namen nennen. Gemeint sein dürften etwa Videokonferenz-Dienste wie Zoom und Microsoft Teams oder private Gmail-Konten, über die Schüler und Lehrkräfte kommunizieren. Außerdem hätten letztere womöglich keine ausreichende Einwilligung von Schülern oder deren Eltern eingeholt.

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Ihn hätten Hinweise von Kollegen und aus der Bevölkerung erreicht, sagt Hasse. Die Zahl der Fälle, für die er nun Sanktionen prüfe, sei sehr gering. "Und ob wir dann tatsächlich Bußgelder verhängen, steht völlig in den Sternen", sagt er. "Wir reden über Summen bis zu 1000 Euro, aber die Höhe hängt stark vom Einzelfall ab: Wie viele Personen sind involviert, zeigt sich die Lehrkraft kooperativ, wie schwer wiegt der Verstoß?" Wer etwa trotz wiederholter Warnungen immer noch Whatsapp nutze, könne wegen Vorsatz belangt werden.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber hält es für eine "Selbstverständlichkeit, dass ein Landesdatenschutzbeauftragter seinem gesetzlichen Auftrag nachkommt, Hinweisen nachzugehen". Die Aufregung, dass es bei unverhältnismäßigen Verstößen auch Bußgelder geben könnte, sei unbegründet.

Doch mit seinem Vorstoß hat Hasse längst nicht nur Lehrkräfte aufgeschreckt. Kathrin Vitzthum, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Thüringen, spricht von einem "Schlag ins Gesicht der Lehrkräfte", die Eigeninitiative gezeigt hätten. "Ich verstehe, dass geprüft wird", sagt sie der SZ. "Ich will auch gar nicht ausschließen, dass es einzelne Verstöße gab. Aber diese Drohung sendet ein völlig falsches Signal an alle, die quasi über Nacht nach Möglichkeiten für Distanzunterricht gesucht haben."

Politiker empört über Strafandrohung

Auch im Thüringer Landtag herrscht seltene Einigkeit: "Die Ankündigungen sind beunruhigend und so nicht zu akzeptieren", sagt Bildungsminister Helmut Holte (Die Linke). Franziska Baum, bildungspolitische Sprecherin der FDP, fordert eine offizielle Übersicht mit datenschutzrechtlich unbedenklichen Angeboten. Ihr CDU-Kollege spricht von einer "Hexenjagd auf Lehrerinnen und Lehrer". Deren Kreativität im Nachhinein zu bestrafen, sei kontraproduktiv.

Stefan Wesselmann vom Verband Bildung und Erziehung Hessen sieht ein grundsätzliches Problem: "Lehrkräfte werden zur Verantwortung gezogen werden für die mangelhafte digitale Ausstattung." Mit Strafen zu drohen, sei unverschämt. Dem Datenschutzbeauftragten müsse klar sein, dass viele Lehrkräfte in der Konsequenz künftig nur noch den Papierweg wählen würden und das Lernen analog bleibe. "Dieses Beispiel macht die traurige Realität des technischen Mittelalters an deutschen Schulen sichtbar. Wir brauchen endlich eine zeitgemäße digitale Infrastruktur an allen Schulen."

Zumindest da stimmt Datenschützer Hasse zu. Schulen hätten die Digitalisierung lange verschlafen. "Aber in Thüringen ist die Situation im bundesweiten Vergleich gut." Es gebe eine Schul-Cloud, E-Mail-Postfächer und ein System für Videokonferenz - alles sicher und datenschutzkonform. "Natürlich ist das nicht immer ganz so komfortabel wie private Lösungen. Aber das ist eben der Preis der Sicherheit."

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