Ingolstadt:Drei Minuten Aufmerksamkeit in Corona-Zeiten

Ingolstadt: Ulrike Mommendey lässt ihre Puppen, etwa den Hasen, für sich sprechen. Die Geschichtenerzählerin aus Neuburg kann momentan nicht auftreten. Screenshot: SZ

Ulrike Mommendey lässt ihre Puppen, etwa den Hasen, für sich sprechen. Die Geschichtenerzählerin aus Neuburg kann momentan nicht auftreten. Screenshot: SZ

In kurzen Videos können Künstler aller Metiers ihre Arbeit vorstellen. Damit will die Technikstadt Kunstschaffenden in Pandemie-Zeiten eine Öffentlichkeit geben.

Von Johann Osel

Die bunten Plüschtiere haben auf dem Facebook-Kanal der Ingolstädter Stadtverwaltung das Sagen übernommen, für drei Minuten zumindest. Hase, Rabe oder Maulwurf versuchen, die Arbeit von Ulrike Mommendey zu beschreiben - und wundern sich, dass da jeder andere Dinge wahrnimmt. "Geschichten haben viele Gesichter", erklärt Mommendey nach dem Auftritt ihrer Handpuppen. Sie kommt aus Neuburg an der Donau und ist als Märchen- und Geschichtenerzählerin (keineswegs nur für Kinder) oft in Ingolstadt unterwegs, in Büchereien oder auf Bühnen.

In normalen Zeiten wohlgemerkt, die Corona-Krise hat viele Künstler in eine Zwangspause geschickt oder die Aktivitäten auf das Internet beschränkt. Drei Minuten Aufmerksamkeit bietet ein Projekt der Stadt Ingolstadt jetzt örtlichen Künstlern - die Erzählerin hat sie ebenso genutzt wie der Zauberkünstler Sven Catello, der eine Illusion mit einem Bindfaden präsentiert; oder die Malerin und Dichterin Beate Hefler, die von der Symbiose aus Kunst und Leben berichtet, von der Inspiration durch die Natur: "an Wind hör'n, wia er mit de Bladl spuit".

"3 Minuten" heißt die Aktion, zu der das Kulturreferat aufgerufen hat. Künstlern, die aus Ingolstadt kommen oder einen Arbeitsschwerpunkt dort haben, soll damit eine Plattform geboten werden, sich und ihre Arbeit im Video vorzustellen. 500 Euro gibt es dafür - das wird niemanden finanziell über Wasser halten, ist aber durchaus eine kleine Anerkennung. Mehr zählt wohl die Öffentlichkeit: Sie hilft vielleicht auch bei Ticketverkäufen demnächst, schließlich kann es mit Auftritten jetzt im Juni unter Auflagen wieder losgehen. Weiterer Nebeneffekt: Die Videos sollen die Bürger unterhalten, ihnen neue Einsichten geben. Und darüber hinaus zeigen, was die Stadt im Kleinen künstlerisch zu bieten hat. Seit Kurzem werden die Videos auf den Social-Media-Seiten der Stadt eingestellt. Es geht nicht nur um Darbietungen, sondern zum Beispiel auch Einblicke in Malerateliers.

Um die 30 Künstler aus allen Bereichen haben sich nach Auskunft der Stadt bisher beworben. "Gute Resonanz, gute Ideen", zieht ein Sprecher Zwischenbilanz. Nun ist der Begriff der Kunst ja weit zu fassen, und man denke nur an unzählige Videos von Belanglosigkeiten und Streichen, die man auf Plattformen wie Youtube sehen kann - gefilmter Blödsinn und anderweitige Werke von Scherzbolden seien bisher aber nicht beim Kulturreferat eingetroffen, heißt es. Das freilich ist schon etwas überraschend. Einzureichen ist übrigens auch ein Nachweis, dass man überwiegend von der künstlerischen Tätigkeit lebt.

Für 60 Videos wurde zunächst das Geld bereit gestellt, sollten es am Ende mehr Bewerber sein, könnte der Etat aufgestockt werden. "Das wird sehr spannend über die Zeit", so der Stadtsprecher, "wenn die Kultur in Ingolstadt in ihrer ganzen Facettenhaftigkeit erkennbar wird." Gleichwohl sei "3 Minuten" keine Ingolstädter Erfindung, so habe ein solches Projekt zuvor unter anderem schon in Regensburg begonnen. Titel dort: "Frei sein, und nicht allein."

Allerdings ist in Ingolstadt der Bedarf für Sichtbarkeit von Kultur vorhanden. Im Kommunalwahlkampf war das, wenn auch meist am Rande, ein Thema: Wie attraktiv ist die Auto- und Technikstadt für Kunst und Kultur? Abseits des Stadttheaters, der Museen oder des bekannten Georgischen Kammerorchesters - also für die freie Kunstszene, die alternative womöglich sogar, oder für die angrenzenden Felder der Kreativwirtschaft? Da sehe es leider mau aus, hieß es im Wahlkampf oft. Vielleicht aber ist da vieles, das bisher nur im Verborgenen blieb: Die drei Minuten Bühne im Netz könnten womöglich den Beweis dafür erbringen in den kommenden Wochen.

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