Corona-Tracing-Apps:Die Mehrheit will

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Mithilfe einer sogenannten Tracing-App könnte das Coronavirus in Deutschland eingedämmt werden. (Foto: Michael Weber/imago images/imagebroker)

60 Prozent der Erwachsenen müssten die neue Corona-App nutzen, sagen Experten. Gut also, dass in einer Umfrage 53 bis 69 Prozent der Deutschen angeben, genau das tun zu wollen. Ein paar Tücken gibt es trotzdem.

Von Christoph Koopmann, München

In wenigen Tagen soll die deutsche Corona-Tracing-App einsatzbereit sein. Das kündigte auch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in der Rheinischen Post an. Die bisherige Zeit habe man gebraucht für die Entwicklung, "weil wir hohe Anforderungen stellen: Die App muss auf allen Endgeräten genutzt werden können und soll beispielsweise auch dann messen, wenn man mit dem Handy Musik hört". Sie müsse strenge Vorgaben beim Datenschutz, der Datensicherheit und bei der Energieeffizienz erfüllen. Auch solle sie allen Bürgern zugänglich sein. "Wenn wir in den kommenden Wochen einige Millionen Bürger von der App überzeugen, dann bin ich schon zufrieden", sagte Spahn.

Und es gibt Hoffnung, dass die Ausbreitung von Sars-CoV2 damit eingedämmt werden könnte. Zwei Zahlen geben Grund zur Hoffnung. Erstens: 60 Prozent der erwachsenen Bevölkerung müssten die App laut einer Studie der Universität Oxford nutzen, um die Reproduktionszahl unter dem Wert 1 und damit das Virus unter Kontrolle zu halten.

Zweitens: 53 bis 69 Prozent der Deutschen wären bereit, sich eine Corona-Tracing-App herunterzuladen. Das haben Forscher des Nürnberg-Instituts für Marktentscheidungen (NIM, vormals GfK-Verein) ermittelt. Für eine Studie, die der Süddeutschen Zeitung vorab vorlag, befragten die Marktforscher online eine nach Alter, Geschlecht und Bildung repräsentative Gruppe von etwa 1500 Menschen in Deutschland. Sie legten den Befragten dafür verschiedene App-Varianten vor. Sie sollten dann entscheiden, was sie bevorzugen würden, etwa ob ihre Daten zentral oder dezentral gespeichert werden oder ob die Kontrolle über die App bei privaten Unternehmen oder in öffentlicher Hand liegen soll.

"Die Sicherheit ihrer Daten ist den Menschen am wichtigsten", sagt die Psychologin

Schließlich berechneten die Forscher aus diesen Abwägungen, wie viele Menschen sich welche App herunterladen würden. "Die Sicherheit ihrer Daten ist den Menschen dabei am wichtigsten", sagt Psychologin Anja Dieckmann aus dem Forscherteam. Die am meisten akzeptierte App wäre demnach eine, bei der die Daten nur auf den Handys der Nutzer gespeichert werden, und das nur für die Dauer der Pandemie. Der Download müsste freiwillig sein und der einzelne Nutzer nicht identifizierbar; überwacht werden sollte die App von einem "unabhängigen Forschungsinstitut". Das kommt einem Modell, das SAP und Telekom gemeinsam entwickelt haben, recht nahe.

Die ideale App, die 69 Prozent der Deutschen laut der Studie herunterladen würden, hätte allerdings noch einen weiteren Vorteil: Nutzer würden schneller und unkomplizierter auf eine Infektion getestet als Nicht-Nutzer. Das ist in Deutschland so aber nicht vorgesehen. Die App, die in der Studie die zweithöchste Zustimmung erfuhr, bietet diese Funktion ebenfalls nicht. Auch in anderen Punkten unterscheidet sie sich leicht von der Ideal-Variante und der real geplanten. Das liegt daran, dass die Forscher zum Zeitpunkt der Befragung Anfang bis Mitte Mai noch nicht wussten, was SAP und Telekom genau planen.

Mittlerweile wurde der Programmcode veröffentlicht, und es ist klar: Die echte Corona-App wird mit ihren Eigenschaften irgendwo zwischen den beiden in der Studie favorisierten liegen. Deshalb können die NIM-Forscher nicht sagen, wie viele Menschen die Anwendung tatsächlich herunterladen würden. "Wenn alles gut läuft, dann könnte man dem Idealwert von 60 Prozent recht nahekommen", sagt Dieckmann.

Da die Befragung online durchgeführt wurde, sind allerdings weniger technikaffine Menschen vermutlich unterrepräsentiert. Außerdem kommt es im echten Leben manchmal anders: Wenn man in einer Befragung angibt, die App herunterladen zu wollen, bedeute das noch lange nicht, dass man es am Ende tatsächlich tut, sagt Dieckmann. Außerdem seien die Probanden in der Befragungssituation besser informiert gewesen, als es der durchschnittliche Nutzer sein könnte. "Ich bleibe daher skeptisch", sagt Dieckmann. Immerhin gab nur jeder Fünfte an, sich die Tracing-App unter gar keinen Umständen auf sein Smartphone laden zu wollen.

© SZ vom 08.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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