Formsache:Spaß im Teufelsrad

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Martin Halle leitet als ärztlicher Direktor das Institut für Sportmedizin und Sportkardiologie an der Technischen Universität München. (Foto: Nicki Schaefer)

Professor Martin Halle vom Uniklinikum der TU München ist ein wahrer Sportfan - auch aus beruflichen Gründen.

SZ: Sport ist . . .

Martin Halle: Medizin, zumindest für mich. Das meine ich nicht nur persönlich, sondern besonders im Sinne meiner Patienten. Jeder kann durch Sport und Training seine individuelle Goldmedaille gewinnen, hinsichtlich Gesundheit und Lebensqualität, egal ob als gesunder Mensch, Diabetiker, als Herz- oder Krebspatient. Durch regelmäßige, möglichst tägliche Bewegung können Erkrankungen dramatisch verringert und die Prognose bei Erkrankten entscheidend verbessert werden.

Ihr aktueller Fitnesszustand?

Ich habe seit letztem Juni nach einem übermütigen Sprint als Begleiter der Protagonisten der BR Lauf10!-Gesundheitsaktion "In 10 Wochen wieder fit als Couch-Potato" meinen Fuß verletzt. Leider hängt mir das immer noch nach, sodass ich aktuell kaum Joggen kann. So habe ich das Ergometertraining wiederentdeckt. Zusätzlich zum täglichen Radfahren in der Stadt setze ich mich morgens auf mein Ergometerrad im Keller und strample 15 Minuten als Intervalltraining, danach noch "Stabi-Übungen", also Muskelkraft und Koordination für den Rumpf, Oberkörper und Beine auf der Turnmatte. Vor kurzem habe ich in meiner Abteilung wieder einmal einen Fitnesstest gemacht. Der war besser als je zuvor! Was ich immer vor anderen predige, scheint auch mir zu helfen: erstaunlich! Kurze Einheiten, jeden Tag, bei optimaler Intensität. Der Erfolg stellt sich bereits nach einem Monat ein und ist dramatisch.

Felgaufschwung oder Einkehrschwung?

Beides. Ein Einkehrschwung mit gutem Essen und Wein zusammen mit Familie und Freunden: Da geht mir das Herz auf! Einen Felgaufschwung habe ich schon lange nicht mehr gemacht. Ich werde das mal trainieren, denn dafür ist Koordination und Kraft der Rumpfmuskulatur notwendig. All das verliert man dramatisch ab Mitte 40. Zum Glück hat der gelegentliche Einkehrschwung noch nicht bei mir zu einem erhöhten Bauchumfang geführt, da passe ich auf. Denn das wäre sehr hinderlich beim Trainieren des Felgaufschwungs.

Sportunterricht war für Sie?

Immer großer Spaß! Ich habe auch immer zusätzlich in AGs mitgemacht und Jugendliche an der Schule trainiert, wie im Basketball, und diese dann bis zur Stadtmeisterschaft geführt.

Ihr persönlicher Rekord?

Als Jugendlicher habe ich fanatisch Tischtennis trainiert, damals in Steinhagen, einer ehemaligen Tischtennishochburg in Ostwestfalen. Der Ort ist Namensgeber des Steinhägers, aber das hat eher etwas mit dem Einkehrschwung zu tun. Und irgendwann durfte ich bei den Großen in der Landesliga als Ersatzmann einspringen. Als ich dann als Austauschschüler in die USA gegangen bin, gab es dort nur noch Ping-Pong, damit war das Thema erledigt. Ich versuchte mich dann als Kicker beim American Football in der Schulmannschaft.

Stadionbesucher oder Fernsehsportler?

Ich möchte eigentlich gerne nah am Geschehen sein. Damals in Freiburg als angehender Arzt hatte ich eine Dauerkarte für einen Stehplatz auf der Osttribüne. Einfach genial die Stimmung! Das fehlt mir in München in der Allianz Arena. Aber im Sommer bei der EM 2021 bin ich direkt vor Ort, leider hat es ja wegen Corona dieses Jahr nicht geklappt. Als Chief Medical Officer der Uefa für den Austragungsort München freue ich mich schon auf tolle Spiele und habe natürlich direkten Zugang zum Geschehen.

Bayern oder Sechzig?

Ich mag Underdogs grundsätzlich lieber. Aber wenn Bayern gut spielt, die Kombinationen laufen, Tore fallen und keiner überheblich, sondern einfach natürlich ist und sich freut, kann man nicht umhin, sich auch mit den Bayern so richtig zu freuen.

Ihr ewiges Sport-Idol?

Am beeindruckendsten für mich sind Sportler wie Franziska Liebhardt, mehrfache Weltmeisterin der Transplantierten bei den World Transplant Games. Sie hat sich zunächst nach einer Lungen- und dann erneut, als die Nieren versagten, nach einer Nierentransplantation wieder langsam ins Leben trainiert. Oder Elmar Sprink, der nach einer Herztransplantation im vergangenen Jahr auf Hawaii den Ironman geschafft hat und jetzt auch noch eine Coronainfektion ohne Schaden überstanden hat, trotz seiner Herzerkrankung. Oder Guido Müller, 79 Jahre und vielfacher deutscher Meister und Weltmeister in der Leichtathletik der Senioren. Sie verkörpern das, was jeden Leistungssportler ausmacht, Talent gepaart mit unbändigem Willen und Mobilisation von positiven Kraftreserven sowie große Empathie für ihren Sport.

Ein prägendes Erlebnis?

Ich versuche Sport als Therapie für Patienten einzusetzen. Als mir eine Brustkrebspatientin sagte, dass sie aufgrund meines Trainingsprogramms die Chemotherapie besser überstanden habe und ihre zwei jugendlichen Kinder das Fragen zur Krankheit schlagartig eingestellt hätten, als sie im Trainingsanzug aus dem Haus ging, da wusste ich, dass Sport(-therapie) viel mehr psychologisch Positives hat, als wir uns auch als Mediziner vorstellen. Und wir sollten dies breiter in die Umsetzung bringen.

In welcher Disziplin wären Sie Olympiasieger?

In keiner. Ich kann vieles gut, aber nichts wirklich richtig gut. Das war - außer beim Tischtennis - auch nie mein Ziel. So hab ich Valenzen gehabt auch für andere "Sportarten". Wenn meine Mitarbeiter mit mir auf das Oktoberfest gehen, dann halte ich auch bei typischen "Sportarten" wie Toboggan, Teufelsrad und Rosenschießen sehr gut mit. Diese Kompetenzen helfen mir heute mehr, als wenn ich noch mehr Tischtennis trainiert hätte.

Mit welcher Sportlerin/welchem Sportler würden Sie gerne das Trikot tauschen?

Ich bin so glücklich mit meinem Beruf. Und ich habe das Leben vieler Leistungssportler kennengelernt. Nein, das ist für mich keine Option. Die Kombination aus Mediziner, Hochschullehrer und Forscher sowie meine Freiheiten, Neues für die Gesellschaft umzusetzen und junge Menschen ein Leben lang zu motivieren, ist einfach genial!

Unter der Rubrik "Formsache" fragt die SZ jede Woche Menschen nach ihrer Affinität zum Sport. Künstler, Politiker, Wirtschaftskapitäne - bloß keine Sportler. Wäre ja langweilig.

© SZ vom 10.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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