Corona-Krise:EU will härter gegen Desinformationen vorgehen

Corona-Krise: Social-Media-Kanäle sollen sich selbst unter die Lupe stellen

Social-Media-Kanäle sollen sich selbst unter die Lupe stellen

(Foto: Glen Carrie/Unsplash; Bearbeitung/Collage SZ)

Die Europäische Kommission nennt in einem Bericht Russland und China explizit als Urheber falscher Informationen - und drängt auf Leitlinien für soziale Netzwerke.

Von Karoline Meta Beisel und Matthias Kolb, Brüssel

Die Mitgliedsländer der EU streiten darum, was der richtige Weg aus der Corona-Krise ist; aber dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell zufolge ist das Corona-Virus gar "nicht das einzige Virus, das uns gerade Probleme bereitet": Zeitgleich mit der Pandemie habe Europa eine "massive Infodemie" befallen. Gemeint sind Botschaften, in denen die Gefährlichkeit des Virus heruntergespielt wird oder fragwürdige Behandlungsmethoden propagiert werden.

Darum will die EU-Kommission künftig härter gegen Desinformationskampagnen vorgehen. "Sie gefährden nicht nur die Gesundheit unserer Bürger, sondern auch ihren Glauben in öffentliche Institutionen", sagte Borrell am Mittwoch in Brüssel, wo er die neue Strategie der EU-Kommission vorstellte. In dem Bericht, den Borrell gemeinsam mit Kommissionsvizepräsidentin Věra Jourová erarbeitet hat, wird neben Russland auch China explizit als Urheber von Desinformationskampagnen genannt.

Künftig sollen Internetplattformen wie Facebook oder Youtube einmal im Monat detailliert Bericht darüber erstatten, was sie gegen Falschinformationen auf ihren Seiten unternehmen. "Bisher wissen wir nur, was die Plattformen uns sagen. Sie müssen sich öffnen und uns mehr Informationen geben", sagte Jourová. Auch die vor allem bei jungen Nutzern populäre chinesische Videoplattform Tiktok wird sich Jourová zufolge an der freiwilligen Aktion beteiligen. Zudem sollen die Plattformen stärker mit Fact-Checkern zusammenarbeiten.

Als Positivbeispiel nannte Jourová die Reaktion Twitters, das unwahre Behauptungen des US-Präsidenten Donald Trump mit Hinweisen auf die Faktenlage versah. Es gehe ihr nicht darum, irgendjemanden zum Schweigen zu bringen. "Aber wer im Internet Dinge behauptet, muss auch damit rechnen, dass ihm dort widersprochen wird", sagt Jourová. "Das ist nur fair, vor allem bei uns Politikern." Außerdem will die EU-Kommission mit neun Millionen Euro Forschungseinrichtungen unterstützen, die sich mit dem Phänomen befassen.

Dass der wichtige Handelspartner China, mit dem die EU seit Monaten ohne echte Fortschritte über ein Investitionsschutzabkommen verhandelt, in dem Papier explizit als Urheber genannt wird, spricht für ein größeres Selbstbewusstsein und Realismus gegenüber Peking. "Die Ära eines versöhnlichen, wenn nicht gar naiven Europas, ist überholt", schrieb Borrell gerade in einem gemeinsamen Gastbeitrag mit Industriekommissar Thierry Breton, der in verschiedenen europäischen Medien erschien.

Der Außenbeauftragte fordert die Mitgliedstaaten auf, mehr Geld für den Kampf gegen Desinformation bereitzustellen. Eine ihm unterstellte Taskforce beobachtet und dokumentiert seit Jahren, wie Moskau gezielt falsche Informationen verbreitet und versucht, die Einheit der EU-Länder zu spalten. Um Chinas Aktivitäten zu untersuchen, brauche es nun zusätzliches Personal mit entsprechender Expertise.

Dass Peking nun ausdrücklich genannt wird, soll wohl auch dem Eindruck widersprechen, dass die EU zu oft vor China einknicke: Ende April hatte ein veränderter Bericht der Desinformation-Experten sowie die Selbstzensur des EU-Botschafters in Peking gegenüber der Staatszeitung China Daily für Aufregung in Brüssel gesorgt.

Jourová glaubt nicht, dass es weniger Desinformation geben werde, wenn die Pandemie abflaut. "Der nächste Schauplatz wird das Impfen werden", sagt sie und verweist auf eine Studie, der zufolge die Bereitschaft, sich impfen zu lassen, in Deutschland in den vergangenen zwei Monaten um ein Fünftel gefallen sei.

Auch die EU-Kommission wird sich mit dem Thema weiter beschäftigen. Zum einen hatte die Behörde gemeinsam mit großen Internetplattformen bereits 2018 einen Verhaltenskodex für den Umgang mit Desinformation vereinbart. Der Bericht, was der Kodex gebracht hat, soll in den kommenden Wochen veröffentlicht werden. Die Ergebnisse sollen dann aber auch einfließen in ein geplantes Gesetz über digitale Dienstleistungen, das die Kommission Ende des Jahres vorstellen will.

Anders als die Strategie von diesem Mittwoch sollen darin auch konkrete gesetzliche Verpflichtungen für Plattformen enthalten sein, wie sie mit illegalen Inhalten auf ihren Seiten umgehen sollen; etwa mit terroristischen Videos oder Hassbotschaften. Allerdings sind Desinformationen und Fake News oft nicht in diesem Sinne illegal und darum schwerer zu greifen. Deswegen arbeitet die Kommission parallel auch an einem "Aktionsplan für Demokratie", der sich mit diesem Phänomen befassen wird.

"Lügen hat es immer schon gegeben, und sie sollten uns keine Angst machen", sagt Jourová. "Angst macht mir nur, wie bereitwillig wir solchen Lügen glauben."

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