Last of Us 2:Der Tod erzählt Geschichten

Last of Us 2

Protagonistin Ellie will Rache nehmen

(Foto: Sony Interactive Entertainment / PR)

Das Sterben kann für Macher von Videospielen ein effektives Werkzeug sein. Der Nachfolger des erfolgreichen "The Last of Us" konfrontiert die Spieler etwas zu oft mit dem Tod.

Von Matthias Kreienbrink

Nach den Angriffen der Zombie-artigen Kreaturen ist nichts wichtiger als das Heilmittel. Einen Verband legen die Spieler ihrer Protagonistin an, auf dass er sie am Leben erhalte. Die Munition ist knapp und die Kraft am Ende. Nur dank der Fürsorge für die virtuelle Figur kann die Geschichte weitergehen.

"The Last of Us 2" ist eines der letzten großen Exklusivspiele für die PlayStation 4, die bald durch das fünfte Modell ersetzt wird. Noch mehr als der Vorgänger, der sich mehr als acht Millionen Mal verkauft hat, setzt "The Last of Us 2" auf eine Erzählung von Tod und Überleben. Es ist eine Erzählung, die in keinem Medium so lebendig werden kann wie im Videospiel. Denn hier sind es die Spieler selbst, die die Figuren am Leben erhalten - oder eben nicht. Im Spiel kann eine Beziehung zu Charakteren aufgebaut werden, die jeden Tod zu einem Verlust macht.

In "The Last of Us 2" wird doppelt erzählt. Die Protagonistin des Spiels ist Ellie, die sich aufmacht, Rache zu nehmen. Ein zentraler Protagonist wird zu Beginn des Spiels brutal ermordet. Von da an hat Ellie nur noch ein Ziel: die Mörderin zu töten. Ein Ziel, das fortan auch die Spieler haben. Sie spüren mit Ellie Waffen, Pläne und Werkzeuge auf. Sie heilen sie, wenn sie verletzt ist, und fördern ihre Fähigkeiten. Setting des Spiels ist ein Seattle nach dem Zusammenbruch der Gesellschaft. Aus den meisten Menschen sind sogenannte Clicker und andere Zombie-ähnliche Wesen geworden: Kreaturen, die von einem Pilz befallen sind und schlurfend durch die Gegend morden. Sie wanken als menschliche Überreste durch diese Welt, gieren nach Leben und versuchen alles auszulöschen, was ihnen begegnet.

Doch die größere Gefahr sind wie so oft die Menschen selbst, die sich in Gruppen zusammengeschlossen haben und einander bekämpfen. Ellie bleibt dabei nicht die einzige Protagonistin des Spiels. Im Lauf der Geschichte werden Figuren und Perspektiven gewechselt. Die Rache der einen wird zur Rache der anderen, und die Gewissheit der Spieler, auf der "richtigen Seite" zu stehen, schwindet. Rache als Kreis, aus dem es kein Entkommen gibt, eine Erzählstruktur, die schon in der Antike verhandelt wurde. "The Last of Us 2" will die Spieler den Kreis durchbrechen lassen.

"Wie alt warst du, als du zum ersten Mal jemanden getötet hast?"

Die Gespräche in "The Last of Us 2" drehen sich um den Tod und das Sterben. Die Spieler steuern Figuren, denen der Tod ständig im Nacken sitzt. Er macht jede Bewegung ein wenig schwerer, lässt jedes zu erkundende Haus, jede Straße zu einem möglichen Ende werden. Wenn die Spieler von Gegnern getroffen werden, zieren Blutstropfen den Bildschirm. Viele Videospiele haben die Maxime: Töte, oder du überlebst nicht. Zwar gibt es in den Spielwelten auch Krankheit und Siechtum, doch die Protagonisten sterben selten daran. Ihr virtuelles Leben geht zu Ende, wenn die Spieler nicht vorsichtig sind. Wenn sie nicht heilen, nicht genug Medizin finden um höhere Level zu erreichen, nicht genug Fürsorge zeigen.

Aus diesen Spielmechaniken des Überlebens können sich in guten Spielen Erzählungen entspinnen: wen die Spieler im Laufe ihrer Geschichte am Leben lassen und wen nicht. Wie sehr sie sich für ihren Charakter einsetzen oder sich darum bemühen, am Leben zu bleiben. All das sind Erzählmöglichkeiten des Videospiels. Über die vielen Stunden des Spielens hinweg entstehen Bindungen zu den gesteuerten Charakteren. Und anders als etwa beim passiven Filmschauen kann im Videospiel mehr verloren gehen als eine erzählte Figur. Es ist der eigene Charakter der Spieler, der nicht mehr ist. Mit ihm verschwinden auch alle Entscheidungen, alle Mühen - alle Stunden, die in ihn gesteckt wurden. Es stirbt etwas Persönliches, zumindest virtuell.

Wenn der Tod zum Zweck wird

In "The Last of Us 2" sollen Gewalt und der Tod, der ihr folgt, kein Selbstzweck sein. Jedes Ableben, egal ob von Freund oder Feind, soll eine Wucht erzeugen, die Spieler erschüttern. Menschen, die im Verlauf des Spiels umkommen, sterben nicht einfach. Sie röcheln, wimmern, kreischen. Das Spiel möchte keine Genugtuung hinterlassen, keine Freude am Töten inszenieren. Jeder Tod soll eine kleine Erzählung sein, vom Ende des Lebens dieses einen Menschens.

In seinen besten Momenten erzählt "The Last of Us 2" von Gewalt und Sterben als der größtmöglichen Disruption. Die Unschuld jedes Lebens, der Frieden, die Sicherheit, sie werden zerstört durch den plötzlichen Einbruch der Gewalt. In manchen Szenen ist "The Last of Us 2" ein brillantes und wichtiges Spiel. In einer Szene durchsucht Ellie mit ihrer Partnerin eine Synagoge. Dina, mit der Ellie eine Liebesbeziehung hat, ist Jüdin. Sie erzählt in der Synagoge vom Holocaust - dass sie einer langen Reihe von Überlebenden entstammt. Ein stiller, schwerer Moment, der lange nachwirkt.

Bis der Lärm und das Töten wieder beginnen. Das sind wohl die schwächsten Momente des Spiels. Wenn die Gewalt und der Tod zur Sackgasse werden. Wenn die Spieler schlachten, schlachten, schlachten.

Wie eine Metapher in einem Roman ihre Wirkung verliert, wenn sie wieder und wieder auftaucht, verliert auch der Tod in "The Last of Us 2" mehr und mehr seine Wirkung. Immer wieder werden die Spieler aufgefordert, sich durch Gegenden voller Menschen zu schießen. Immer größer wird der Haufen derer, die ihr virtuelles Leben verlieren. Doch selbst die expliziteste Darstellung von Gewalt verliert ihren erzählerischen Effekt, wenn sie beliebig und erwartbar wird.

Die Spieler fragen sich: Was kann ich denn dagegen tun? Gerade auf diese Frage bleibt das Spiel eine Antwort schuldig.

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