TV-Dreh in Königsdorf:Gruseln mit Abstand

TV-Dreh in Königsdorf: "X-Factor" im Oberland: Schauspielerin Kathrin Anna Stahl muss bei den Dreharbeiten Bo Starkers Haus im Königsdorfer Gemeindegebiet erkunden.

"X-Factor" im Oberland: Schauspielerin Kathrin Anna Stahl muss bei den Dreharbeiten Bo Starkers Haus im Königsdorfer Gemeindegebiet erkunden.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Im fantasievollen Reich der Künstlerin Bo Starker in Königsdorf wird gerade eine Mysteryserie gefilmt - mit Vorkehrungen. Denn Corona verändert auch die Dreharbeiten beim Fernsehen.

Von Susanne Hauck

Der Nebel zieht in weißen Schwaden durch das geheimnisumwobene Haus. Die junge Frau in Jeans und rotem Blouson tritt zögerlich ein paar Schritte näher und schaut sich in dem Gemäuer um. Ihr Blick wandert über ausgestopfte Eulen, Hirschgeweihe, die skurrile Tirolerhüte tragen, düstere Ölbilder von Menschen längst vergangener Epochen - bis er an zwei verwitterten Sensen hängen bleibt, die kreuzweise ans Gebälk genagelt sind, die scharfen Spitzen bedrohlich nach unten gerichtet, als ob sie jederzeit jemanden erschlagen könnten. Erschauernd wendet sich die Dame zu einem altmodischen Kleiderschrank, als ob sie in dessen Spiegeltür in die Zukunft blicken könnte. "Urig, nicht?", findet ihr hinzugekommener Mann.

Die Szene ist abgedreht. "Okay, super, das war's", ruft Holger B. Frick seinen Leuten zu. Gruselig ist eigentlich gar nichts an diesem strahlend schönen Freitagnachmittag, gruselig sind nur die Bedingungen, unter denen gefilmt werden muss. Einige der Crewmitglieder stürzen gleich ins Freie, so schwer fällt das Atmen unter der Maske wegen der schwülen Luft. Trotzdem, der Regisseur mit dem Initial im Namen ist froh, dass er die eigentlich für März vorgesehenen Dreharbeiten endlich wieder aufnehmen kann. Drei Monate herrschte auch in der Filmbranche Corona-Zwangspause. Jetzt gelten strengste Sicherheitsvorkehrungen, vor allem beim Innendreh.

Kamera, Ton, Maske, Assistenten, Darsteller - wer noch nie beim Film war, macht sich gar keinen Begriff, dass da schnell ein Dutzend Leute zusammenkommt, dass man höllisch darauf aufpassen muss, dass nicht zu viele Personen im Raum sind, dass das Abstandsgebot gewahrt und der Mundschutz aufbehalten wird.

TV-Dreh in Königsdorf: Die Künstlerin kann in der Serie auch ihr Puppenhaus in Szene setzen.

Die Künstlerin kann in der Serie auch ihr Puppenhaus in Szene setzen.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Das betrifft alle bis auf die Schauspieler. Sie dürfen die Maske abnehmen, aber erst im allerletzten Moment, bevor die Kamera zu laufen beginnt. Immerhin können sie das Schminken wieder der mittlerweile mit Plastikvisier und Handschuhen arbeitenden Visagistin überlassen, die jedem seine eigene Puderdose reserviert hat. Aber geht das in Ordnung, dass Schauspieler Gabriel Raab seine Film-Frau Kathrin Anna Stahl noch mal feste drücken darf, ehe er dem Fluch des Hauses zum Opfer fällt? Ja, auch solche Szenen hat Frick trotz des Sicherheitsabstands nicht aus dem Drehbuch streichen müssen, weil er seine drei gebuchten Schauspieler vorher auf Corona hat testen lassen.

Für den Regisseur war die Location der reine Glücksfall. "Es passiert ganz selten, dass man überhaupt nichts umkrempeln muss", sagt er. Normalerweise müsse man umstellen, ausräumen, anders möblieren und dergleichen. Sogar die Spinnweben in der Ecke habe sie auf seinen Wunsch dranlassen müssen, ruft Hauseigentümerin Bo Starker gut gelaunt dazwischen. Man könnte meinen, dass ihre Familie seit Generationen in dem so authentisch wirkenden alten Bauernhof bei Königsdorf zu Hause ist. Tatsächlich ist sie in den zehn Jahren, in denen sie hier lebt, höchst erfolgreich darin gewesen, den früheren Stall in ein richtiges Harry-Potter-Haus zu verwandeln, dessen tausend Winkel von oben bis unten vollgestopft sind mit alten Büchern und Möbeln, präparierten Tieren, knorrigem Wurzelwerk, Überseekoffern, Kandelabern, Tintenfässern und anderem Trödel, den sie auf Flohmärkten zusammengekauft hat. Schon immer sei es ihr heimlicher Traum gewesen, wie in einem schottischen Schloss zu leben, erzählt die quirlige 41-Jährige, ihres Zeichens Tochter eines Antiquitätenhändlers, die an der Kunstakademie Dresden studiert hat und als gefragte Porträtmalerin ihr Geld verdient - wenn sich ihre überbordende Fantasie nicht gerade im Schreiben und Illustrieren von Kinderbüchern niederschlägt oder im Bau von mannshohen nostalgischen Puppenhäusern, von denen die Filmleute so Feuer und Flamme waren, dass sie sie gleich ins Drehbuch schrieben. Ihr Haus einer Location-Agentur anzubieten, sei mal so eine Idee gewesen, die Kasse aufzubessern, erzählt die alleinerziehende Mutter von zwei Kindern. "Sechs Jahre hat sich nichts getan." Dann wurde sie von "Hubert ohne Staller" entdeckt.

Und nun dient ihr märchenhaftes Reich also als Vorlage für eine Mysteryserie. Was Regisseur Frick hier für den Sender RTL 2 dreht, ist ein Pilotfilm für eine geplante Neuauflage einer Fernsehsendung, in der es viel um übersinnliche Phänomene, unheimliche Begegnungen und wohligen Grusel geht. Geheimnisvoll gibt sich der Filmemacher auch, wenn es um den Namen der Serie geht, bei der jeweils fünf Geschichten präsentiert werden und zum Schluss gewohnheitsmäßig gefragt wird, welche davon erfunden sind und welche sich wirklich so zugetragen haben. Die Fans wüssten dann schon Bescheid. Schon einmal hat der Sender aus Grünwald eine deutsche Version des mittlerweile eingestellten US-Originals "X-Factor" gedreht, die Quote stimmte, aber im Netz wurde wegen der Laiendarsteller und der kruden Storys abgelästert. Frick ist nun ausgezogen, es besser zu machen. "Alles hat seinen Platz" heißt die Folge, in der die Oma ihren Erben zur Auflage gemacht hat, nach ihrem Ableben nur ja nichts an ihren gehorteten Schätzen zu verrücken, die jungen Leute aber vorhersehbar ihre Finger doch nicht lassen können von Bo Starkers Puppenhaus mit all seinen Figürchen und dem Zierat.

Bevor die Szene in den Kasten kommt, sind die Helfer auf die Leiter gestiegen und haben die rostigen alten Sensen am Balken befestigt, dann haben sie die Nebelmaschine für stimmungsvolle Gänsehautatmosphäre angeworfen. Kameramann Eugen Gritschneder nimmt die Kulisse ins Visier, ob auch alles passt: "Hey, ihr habt die Bohrmaschine da oben vergessen."

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(Foto: Harry Wolfsbauer)

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