Das Geschäftsphänomen Twitter:Kostbare Chiffren

Kein Umsatz, kein Gewinn, noch nicht einmal ein Geschäftsmodell: Die 60-Mann-Bude Twitter erwirtschaftet mit ihren Kurznachrichten zwar kein Geld, doch sie ist eine Milliarde Dollar wert.

Thorsten Riedl

"Twitter ist nun 7,14 Millionen Dollar pro Zeichen wert." Ghaith al-Hiyari, Ingenieur aus Dubai, verbreitet am Freitag die Nachricht des Tages - natürlich über die Seite des Internet-Kurznachrichtendienstes.

Das Geschäftsphänomen Twitter: Eine Frau twittert in Berlin:

Eine Frau twittert in Berlin:

(Foto: Foto: ddp)

Auf 140 Zeichen geben die Nutzer bei Twitter eine Antwort auf die Frage: "Was machst du gerade?" So ist ein schnell wachsendes Phänomen im Internet entstanden, bei dem Investoren sich gerade erneut darum gerissen haben, Kapital hineinzupumpen. 140 Zeichen mal 7,14 Millionen Dollar - das macht eine Milliarde Dollar.

So viel ist Twitter nach der jüngsten Finanzierungsrunde wert. Eine Menge Geld für eine Webseite, die keinen Gewinn macht und keinen Umsatz, noch nicht einmal ein Geschäftsmodell hat.

Das simple Problem des Gründers

Vor dreieinhalb Jahren erst entstand Twitter in San Francisco. Wie so oft bei Projekten in der Internetbranche hatte der Gründer anfangs ein recht simples Problem: Jack Dorsey wollte wissen, was seine Freunde im Augenblick tun.

Zunächst war Twitter eine Spielerei, entwickelte sich aber zum ungeahnten Erfolg. Inzwischen hat Dorsey die Leitung der jungen Firma abgegeben an Evan Williams, 37, und Biz Stone, 35, die schon einige Unternehmen gegründet haben.

Die beiden lassen auf der Webseite von Twitter ganz lässig erklären, es gebe viele interessante Umsatzquellen, "aber wir halten uns im Moment zurück in puncto Umsetzung". Man wolle sich selbst nicht "aus dem Konzept bringen" bei wichtigeren Arbeiten, wie einen interessanten Onlinedienst aufzubauen und diesen darüber hinaus möglichst benutzerfreundlich zu gestalten.

Mehr wert als ein 10.000-Mann-Unternehmen

Die Zurückhaltung beim schnöden Mammon schadet den Jungunternehmern nicht - ganz im Gegenteil, so scheint es. Nach übereinstimmenden Berichten englischsprachiger Medien hat sich eine Gruppe von Investoren gefunden, die Twitter in einer neuen Finanzierungsrunde 100 Millionen Dollar zuschießen wird.

Ursprünglich war die Rede von einer Kapitalspritze in Höhe von 50 Millionen Dollar, doch die Geldgeber waren so begeistert, dass das Volumen aufgestockt wurde.

Rechnet man die Beteiligung der Investoren hoch, kommt Twitter damit auf einen Wert von einer Milliarde Dollar. Das ist mehr als an der Börse gerade für den Verpackungsspezialisten Gerresheimer gezahlt wird - der einen Jahresumsatz von 1,1 Milliarden Euro und einen Überschuss von mehr als 200 Millionen Euro erwirtschaftet, mit 10.000 Mitarbeitern auf der ganzen Welt.

Doch wie im New-Economy-Hype um junge Technikfirmen vor zehn Jahren ist auch den Internet-Start-ups von heute mit klassischen Bewertungsmaßstäben nicht beizukommen. So sollen bei der Finanzierung von Twitter dieselben Kriterien gegolten haben wie bei Facebook.

Der Onlinetreff, gegründet 2004, will in diesem Jahr durch Onlinewerbung einen Umsatz von 500 Millionen Dollar machen. Gewinn? Fehlanzeige. Trotzdem wird das Internetangebot mit 300 Millionen Nutzern auf zehn Milliarden Dollar taxiert - so viel kostet an der Börse gerade auch Sportartikelhersteller Adidas.

Enormes Wachstum

Die Investoren begeistert an der 60-Mann-Bude Twitter das enorme Wachstum: Zuletzt zählte der Internetdienst mehr als 50 Millionen Besucher monatlich, fünfmal so viele wie im Februar.

Doch wer lässt da die ganze Welt in 140 Zeichen an seinem Leben teilhaben? Eine Untersuchung von Fittkau & Maaß hat ermittelt, dass vor allem Leute in IT- und in Medienberufen twittern - die gern im Rampenlicht stehen. Fast ein Drittel der Twitter-Nutzer sagt das laut der Studie von sich selbst. Doppelt so viele wie im Schnitt aller Internetsurfer.

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