Terminal-Galerie:Verbindende Elemente

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Daniel Hahn will aus alten Gebäudeteilen des Münchner Flughafens einen neuen Kulturort bauen. Für das gewünschte Gelände unterhalb des Tatzelwurms signalisiert der Freistaat nun Unterstützung

Von Michael Zirnstein

Es ist ja nicht so, dass Daniel Hahn keine anderen Probleme hätte. Die Coronakrise trifft ihn und sein Team drei- bis vierfach: Wie andere Gastronomen musste auch er seine Betriebe wie das Filmhochschul-Café Minna Thiel monatelang schließen, besonders heikel, da das Container-Kulturdorf Bahnwärter Thiel und der quirlige Schiffsfriedhof Alte Utting offiziell nur Zwischennutzungen bis 2022 sind und jeder Monatsumsatz hart einkalkuliert ist. Auch als Veranstalter bremste ihn die Pandemie aus. Zwar haben seine Biergärten wieder geöffnet, und es gibt auch bald kleinere Konzerte und Lesungen, aber wirtschaftlich lohnende größere Club-Abende fallen noch lange aus. Gut, das wird man irgendwie schaffen ...

Aus zwei Boardingstationen, zwei Fluggastbrücken und einem Fluggaststeg will Daniel Hahn einen neuen Münchner Ort für Kultur bauen. (Foto: Daniel Hahn)

"Ganz dramatisch", sagt Hahn, sei gerade allerdings die Lage bei seinem kommenden Traumschloss. Arbeitstitel: "Terminal-Galerie". Der Flughafen München hatte ihm einige Gebäudeteile geschenkt, die beim Ausbau des Terminals 1 übrig waren. Hahn hatte sich sofort verguckt in diese Baukörper aus viel weißem Stahl und Glas - architektonische Ikonen, das Erste und das Letzte, was Millionen Passagiere von München gesehen hatten. Er wollte zwei Boardingstationen, zwei Fluggastbrücken und einen Fluggaststeg zu einem weiteren spektakulären, identifikationsstiftenden, multifunktionalen Kulturort zusammenpuzzlen, zu einer begehbaren Installation als Symbol der Verbindung und Vernetzung. Hahn rechnete zwar, träumte sich das Defizit aber schön. So rückte er mit seinem Team an, mietete Maschinen und engagierte Fremdfirmen, um die Gebäudeteile einen Monat lang zu zerlegen. Freundlicherweise erlaubte der Flughafen, alles erst mal dort zu lagern. Aber die Großbaustelle braucht mehr und mehr Platz, und jetzt soll Hahn alles abholen, möglichst bis Ende Juni. Wenn nicht, muss alles verschrottet werden.

Daniel Hahn, Geschäftsführer des "Bahnwärter Thiel". (Foto: Robert Haas)

Das Problem: Der Schwertransport ist unheimlich kostspielig (allein der Steg wiegt mehrere Dutzend Tonnen), Hahn kann sich das nur einmal leisten, selbst wenn er einen Ort für eine Zwischenlagerung wüsste. Wie einst beim nächtlichen Umzug des Ausflugsdampfers MS Utting müssten die Bauteile gleich an den Ort ihrer Bestimmung geliefert werden - und der war eigentlich gefunden, die Gespräche liefen gut. Und dann kam Corona, und der Grundstückseigentümer ruft den Bauherrn in spe nicht mehr zurück. Klar, andere Sorgen. Aber jetzt pressiert's.

Es sei wieder eine Zwischennutzung, sagt Hahn, den genauen Ort will er noch nicht verraten. Auch sonst äußert er sich diplomatisch und zurückhaltend. Aber, es ist kein Geheimnis mehr: Es ist Brachland, das dem Freistaat Bayern gehört, an der A 9 im Bereich der Anschlussstelle München-Frankfurter Ring, unter dem sogenannten Tatzelwurm. Auf höchster politischer Ebene habe man sich, so hört man bei beteiligten Stellen, für das Projekt ausgesprochen, aber auf Verwaltungsebene bei der Autobahndirektion Südbayern stocke es nun. Hahn hat dafür sogar Verständnis: "In dieser Behörde hat man sonst mit Vermietungen nicht viel zu tun."

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter hat gerade in einem Empfehlungsschreiben Daniel Hahn den Rücken gestärkt. Er unterstütze das Projekt gern, steht darin. Verständlich, die Stadt bekäme so ohne eigene Kosten ein weiteres Renommiergebäude aus dem Hause Hahn, (Daniels Bruder Julian, Wirt des Gans am Wasser im Westpark, zimmert gerade in Untergiesing das märchenhafte Holzschlösschen Gans woanders zusammen). Auch beim Airport München freut man sich weiter auf diesen symbolischen Brückenkopf des Flughafens in die Stadt hinein. Der neue Vorsitzende der Geschäftsführung, Jost Lammers, der das Projekt von seinem Vorgänger Michael Kerkloh geerbt hat, findet: "Die Terminal-Galerie wäre ein schönes Geschenk an die kulturinteressierten Münchnerinnen und Münchner, gerade in so schwierigen Zeiten." Man habe schon einiges geholfen bei dem Projekt, organisatorisch, aber auch auf politischer Ebene werbend. "Vor dem Hintergrund der Corona-Krise, die den Luftverkehr extrem hart trifft, können wir im Moment leider nicht mehr tun." Es fehle, so heißt es beim Flughafen, eh nicht mehr viel.

Auch andere Kulturveranstalter interessierten sich schon für das Gelände an der A 9. (Foto: Stephan Rumpf)

Das hofft Hahn auch, hat aber große Bedenken. "Ich brauche nur ein Ja vom Grundstückseigentümer", sagt er und verspricht: "Um den Rest kümmern wir uns, auch um die Baugenehmigung." Das Ja scheint nahe. Der Freistaat will die Landeerlaubnis wohl bald erteilen. Im Zuge der SZ-Recherche teilte das bayerische Verkehrsministerium mit: "Zwischenzeitlich haben die Planer ein überarbeitetes Kurzkonzept vorgelegt, das die besprochenen Auflagen berücksichtigt. Somit besteht von unserer Seite grundsätzlich Einverständnis mit dem Vorhaben. Auch ein Schreiben von Herrn Oberbürgermeister Reiter an die Flughafen München GmbH liegt uns mittlerweile vor, in dem eine solche Nutzung begrüßt wird. Sobald auch eine Rückmeldung des BMVI vorliegt, können die nächsten Schritte veranlasst werden." Genau darauf hat Hahn gewartet. "Das Projekt", sagt er, "wäre ein tolles Signal an die Münchner Kunst- und Kulturszene, gerade jetzt in der Krise."

© SZ vom 20.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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