DFL:Fußballer wissen nicht alles besser

SG Dynamo Dresden - Hamburger SV

Unzufrieden mit den vielen Spielen: Dresdens Chris Löwe.

(Foto: dpa)

Mit deutlichen Worten kritisiert Dresdens Chris Löwe die DFL. Sein Team hatte es zuletzt zweifellos schwer nach Corona-Fällen. Den drohenden Abstieg nun aber der Liga anzulasten, ist der falsche Weg.

Kommentar von Philipp Selldorf

Der Fußballprofi Chris Löwe hat für Aufsehen gesorgt, als er jetzt mit seltener Deutlichkeit das Schicksal seines Klubs Dynamo Dresden beklagte und dafür kaum weniger deutlich die Funktionäre der DFL verantwortlich machte. "Wir sind die, die den verfickten Preis bezahlen für den ganzen Scheiß", sagte der Verteidiger nach dem 0:2 im Nachholspiel in Kiel, das den Dresdner Abstieg aus der zweiten Liga als ziemlich wahrscheinlich erscheinen lässt. Den Vertretern der Deutschen Fußball Liga wirft Löwe die kalte Ignoranz einer Behörde vor. "Keine Sekunde" hätten sie sich mit den Problemen der Dresdener Spieler beschäftigt: "Die Leute sitzen in ihren 5000 Euro teuren Bürostühlen, und wir sind die Idioten, die das Ganze ausbaden."

Es ist unerheblich, dass nicht mal der Sessel von DFL-Chef Christian Seifert 5000 Euro gekostet hat, wichtig an Löwes Falschmeldung über das Büromobiliar ist aber der Gedanke, der dahintersteht: dass nämlich im fernen Frankfurt jemand sehr bequem sitzt und sich keinen Deut schert um die Probleme Dynamo Dresdens und seiner Spieler. Diese schlichte Auffassung zeugt nicht nur von grober Unkenntnis der Sachlage und der komplexen Schwierigkeiten, die die DFL zu lösen hatte; sie führt auch zur Preisgabe der persönlichen Verantwortung und zum Selbstmitleid. Löwes Verzweiflung in Ehren - aber er klagt die Falschen an.

Die Klagen haben es Dresden sicher nicht leichter gemacht

Die Dresdener haben in der Tat großes Pech gehabt, sie sind die Verlierer des Neustarts, weil in ihrem Kader ein paar Tage vor dem Anstoß zwei positive Corona-Fälle registriert wurden und daraufhin der gesamte Kader 14 Tage in Quarantäne gehen musste. Nach dem verspäteten Einstieg ins Restprogramm musste der Tabellenletzte im Akkord die verpassten Spiele abarbeiten, der Aufholjagd hielt er nicht stand. Von sieben Partien gingen fünf verloren. "Durchgespielt und durchgenudelt" sei die Mannschaft, stellte Trainer Markus Kauczinski fest.

Keine Frage: Die Dresdener hatten es schwerer als die Konkurrenz, doch die Klagen darüber haben es ihnen sicher nicht leichter gemacht. Ob sie wirklich physisch überfordert waren mit dem Programm? Darauf gibt es keine objektive Antwort. Es ist aber falsch gewesen, die Schuld von Anfang an einem Dritten anzulasten, sich zum Opfer zu erklären und von Benachteiligung zu reden und damit ein Alibi für das Scheitern zu schaffen. Die DFL ist zudem keine anonym waltende Behörde, sondern Dachverband und das Instrument aller 36 Erst- und Zweitligisten. Sie hat Dynamo nicht willkürlich benachteiligt, weil ihr der Verein "scheißegal" ist, sie hat den Neustart organisiert, um den Bestand und die Einheit der Ligen zu retten, und dazu gehörte eben ein Spielplan, der allen Klubs einen möglichst fairen Wettbewerb garantiert. Eine Ausnahmeregel für Dynamo, etwa durch Verlegung der Nachholspiele in den Juli, hätte den Wettbewerb verzerrt.

Nicht nur Chris Löwe hat sich beschwert, die Spieler seien im Zuge der Corona-Krise von den Instanzen nicht gehört und beachtet worden. Man sei nur "häppchenweise informiert worden", monierte Leverkusens Verteidiger Sven Bender; die Spieler hätten keinen Einfluss auf die Wiedereröffnung gehabt, kritisierte Neven Subotic von Union Berlin, sie hätten beim Hygienekonzept befragt werden müssen, verlangten andere.

Systemkritik ist grundsätzlich nicht verkehrt, die Profis sind keine Gladiatoren ohne Bürgerrechte. Wenn sie, wie nun ein soeben gegründetes Bündnis von Bundesligaspielern angekündigt hat, über die überfüllten Spielpläne nach Corona und gesundheitliche Belastung mitreden wollen, dann ist das legitim. Sie sollten aber nicht gleich meinen, dass sie alles besser wissen als die Leute auf den Bürostühlen, die tagtäglich ihre - daran führt dann doch kein Weg vorbei - stattlichen Gehälter organisieren.

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