Lufthansa-Poker:Genauso schlau wie vorher

Lufthansa

Für Deutschlands größte Airline und ihre Beschäftigten hat eine schwierige Woche begonnen.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Lufthansa-Großaktionär Thiele könnte das staatliche Rettungspaket für den Konzern doch noch scheitern lassen. Ein Gespräch mit der Regierung endet ohne Durchbruch.

Von Jens Flottau, Frankfurt, und Cerstin Gammelin, Berlin

Lufthansa-Chef Carsten Spohr saß am Montagmorgen früh im Flugzeug von München nach Berlin, in der Hoffnung auf ein klein wenig mehr Klarheit und vielleicht sogar einen Durchbruch. Auch der größte Aktionär des Konzerns, Heinz Hermann Thiele, hatte sich auf den Weg nach Berlin gemacht. Die beiden trafen sich am späten Vormittag mit den Ministern für Wirtschaft und für Finanzen, Peter Altmaier und Olaf Scholz, um zu versuchen, scheinbar unvereinbare Positionen zum staatlichen Rettungspaket für das Unternehmen in Einklang zu bringen und eine Insolvenz der Fluggesellschaft zu verhindern.

Doch am Ende, nach knapp anderthalb Stunden, hatten sich Spohrs Hoffnungen nicht erfüllt. In informierten Kreisen heißt es, man sei nach dem Gespräch genauso schlau wie davor. Thiele habe nicht durchblicken lassen, unter welchen Bedingungen er denn vielleicht bereit sei, das Paket bei der außerordentlichen Hauptversammlung am kommenden Donnerstag durchzuwinken. Von einem Durchbruch kann also keine Rede sein.

Auch in den Verhandlungen mit den Gewerkschaften war am Montag immer noch alles offen. Zwischenzeitlich sah es so aus, als seien die Gespräche gescheitert, dann wieder setzten sich Vertreter von Lufthansa, Vereinigung Cockpit (Piloten) und UFO (Flugbegleiter) wieder zusammen. Verdi (Bodenmitarbeiter) hatte sich zu diesem Zeitpunkt dem Vernehmen nach ausgeklinkt.

Milliardär Thiele, der mittlerweile gut 15 Prozent der Lufthansa-Aktien hält, kann am Donnerstag die Rettung des Unternehmens verhindern. Nur 38 Prozent der Aktionäre nehmen teil, eine Zwei-Drittel-Mehrheit ist erforderlich. Thiele hatte sowohl den Einfluss, den nach seiner Ansicht der Staat künftig hat, als auch die finanziellen Bürden der Rettungsaktion kritisiert und offengelassen, ob er dem Rettungspaket zustimmen wird. Er hatte auch kritisiert, dass ihm niemand die Details des Neun-Milliarden-Planes ausreichend erläutert hat. Zumindest zu einem persönlichen Gespräch mit Spohr, Altmaier und Scholz hat es nun gereicht.

Zu mehr offenbar nicht. In Verhandlungskreisen heißt es, Thiele habe die Positionen wiederholt, die er in der vergangenen Woche erstmals in einem Interview öffentlich gemacht hatte. Die Bundesregierung habe noch einmal das in wochenlangen Verhandlungen geschnürte Paket erläutert. Dieses sei nicht nur mit der Lufthansa vereinbart, sondern auch mit der EU-Kommission abgestimmt worden. Wer nachverhandeln wolle, müsse das Paket aufschnüren. Das plane die Bundesregierung nicht. Bundesfinanzminister Scholz (SPD) hatte Nachverhandlungen bereits Ende der vergangenen Woche ausgeschlossen. Das Paket sei verhandelt, "Punkt", hatte Scholz in Berlin gesagt.

Carsten Schneider, der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, kritisierte Thiele, der vor Kurzem angekündigt hatte, 700 Millionen Euro am Autozulieferer Knorr-Bremse zu verkaufen. "Herr Thiele hat bei seinem eigenen Unternehmen schon bewiesen, dass er die Hilfe der Solidargemeinschaft in Anspruch nimmt, um seine Gewinne einzustreichen", sagte Schneider der SZ. "Wenn er jetzt aber die Lufthansa gezielt in die Pleite treiben will, spielt er Monopoly." Die Lufthansa sei Teil der kritischen Infrastruktur. Die Stabilisierung dieses Unternehmens könne "nicht allein dem freien Spiel der Kräfte auf den Märkten überlassen werden", so Schneider.

Würde der Bund seinen Anteil an der Lufthansa auf zehn Prozent begrenzen, wäre kein Beschluss der Hauptversammlung nötig

Ganz schutzlos sind Lufthansa und Bundesregierung Thiele nicht ausgeliefert, allerdings müsste sich vor allem der Staat deutlich bewegen und den Rettungsplan doch noch ändern. Würde der Bund seinen Anteil an der Lufthansa auf zehn Prozent (statt wie derzeit geplant 20 Prozent) begrenzen, wäre kein Beschluss der Hauptversammlung nötig. Lufthansa-Vorstand und -Aufsichtsrat hatten ursprünglich auf diese Lösung gedrängt, um genau die Situation zu verhindern, zu der es jetzt gekommen ist. Der Staat entschied sich trotz der Risiken für die höhere Beteiligung.

Der Thiele-Termin in Berlin war nur eines von zwei für die Lufthansa wichtigen Ereignissen. Ursprünglich war vereinbart, dass bis Montag Vereinbarungen mit den drei Gewerkschaften Vereinigung Cockpit (Piloten), UFO (Flugbegleiter) und Verdi (Bodenmitarbeiter) getroffen werden, durch die Lufthansa die Personalkosten deutlich senken kann. Doch bis zum Nachmittag hatte sich Lufthansa mit keiner der drei Gewerkschaften geeinigt.

Spohr hofft, dass substanziell geringere (und flexiblere) Personalkosten die Investoren bei der Hauptversammlung, also vor allem Thiele, gnädig stimmen würden. Doch niemand wagt eine Prognose darüber, wie die Verhandlungen ausgehen könnten. Für Lufthansa geht es darum, einigermaßen wettbewerbsfähige Kosten zu haben, wenn der Luftverkehr wieder, wenn auch auf deutlich niedrigerem Niveau als 2019, in Gang kommt. Und es geht darum, wie 22 000 der 138 000 Vollzeitstellen abgebaut werden können, ohne dabei im großen Stil Leute entlassen zu müssen.

Neben den üblichen Mitteln wie einem Einstellungsstopp und Vorruhestand ging es in den Verhandlungen vor allem darum, dass quasi flächendeckend Teilzeit und damit niedrigere Gehälter eingeführt werden sollten. Doch dem Vernehmen nach lagen die beiden Seiten auch zuletzt noch ziemlich weit auseinander. Die Piloten behaupten, sie hätten Einsparungen von 45 Prozent angeboten. Ihre Rechnung beinhaltet aber künftige Gehaltserhöhungen, Gewinnbeteiligungen und Überstunden. Rechnet man dies heraus, bleibt nach Angaben aus Konzernkreisen nur ein einstelliger Prozentsatz übrig - aus Unternehmenssicht viel zu wenig. Und während die Piloten angesichts üppiger Gehälter Spielraum hätten, zeitweise auf einen zweistelligen Prozentanteil ihres Einkommens zu verzichten, haben die Flugbegleiter und Bodendienstler kaum oder zumindest deutlich weniger Spielraum.

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