Volvo-Chef:"Ich erwarte, dass es schnell wieder aufwärtsgeht"

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"Es wäre rausgeschmissenes Geld, wenn Staaten nun Benziner und Diesel subventionieren würden", sagt Volvo-Chef Håkan Samuelsson.

(Foto: ADAM IHSE/AFP)

Volvo-Chef Håkan Samuelsson über Autofahren nach Corona, rausgeschmissenes Geld für Subventionen und die Zusammenarbeit mit den Chinesen.

Von Max Hägler

Die Aussichten für die Industrie, zumal die Autoindustrie, scheinen düster zu sein, wenn man etlichen Verbandsvertretern und Analysten zuhört in diesen Tagen. Die Auswirkungen der Corona-Seuche seien so dramatisch, als wäre ein Markt von der Größe Europas über Nacht verschwunden, ist zu hören. Alles ein schwer zu bewältigendes Milliardendesaster, an dem man noch viele Jahre zu tragen haben werde. Es spricht da die U-Fraktion, diejenigen, die von einem langen Tal des Leidens ausgehen und nur einer langsamen Erholung, eben einer U-förmigen.

Doch mehren sich die Stimmen, die nicht nur über Depression und Rezession klagen wollen. BMW-Finanzchef Nicolas Peter hat darauf als Erster in der Branche abgestellt, als er im SZ-Interview mahnte, die deutschen Konjunkturhilfen nicht schlechtzureden: "Mittelfristig wird das schon wieder", sagte er.

Nun hat Volvo-Chef Håkan Samuelsson energisch das Wort ergriffen - und geht noch weiter: "Ich erwarte, dass es schnell wieder aufwärtsgeht, dass wir eine V-Kurve haben werden." Das V bedeutet einen raschen Wiederanstieg, nachdem nun schon der tiefste Punkt erreicht war. "Wir müssen daran glauben und auch so planen", sagt der 69-jährige Schwede im Interview mit der Süddeutschen Zeitung, "denn andernfalls bekommen wir ein U."

Die Wirtschaft und ihre Märkte, das ist auch zu einem gewissen Teil das, was die Menschen sagen und was sie denken, das ist auch Stimmung. Samuelsson sieht aber auch die Fakten auf seiner Seite: "China macht uns Hoffnung", sagt er. Der Mai sei dort beim Autoverkauf ein ganz normaler Monat gewesen, ja sogar ein bisschen besser noch als der im vergangenen Jahr. Und die USA würden auch sehr bald zurückkommen, die Menschen dort neigten nach Krisen zum Konsum. Europa werde folgen, wenn auch als letzter Kontinent, so seine Einschätzung. Zumindest im Videobild, gesendet aus der Konzernzentrale in Göteborg, sieht er dabei überzeugt aus, einigermaßen unverzagt. Von Anfang Juli an sollen die Bänder, bis auf jene in Charleston in den USA wieder auf Hochtouren laufen.

Seit genau zehn Jahren ist Volvo nun schon in chinesischer Hand

Dabei hat der Nachfrageeinbruch auch Volvo getroffen. In Europa werden gerade nur halb so viele Wagen verkauft wie erwartet. Auch seine weltweit mehr als 41 000 Mitarbeiter waren deshalb, und wegen der Eindämmung der Pandemie, zumeist daheim in den vergangenen Wochen. Nicht alle werden wieder zurückkehren. 1300 Stellen vor allem in der Verwaltung hat Samuelsson gestrichen und 300 Beratern gekündigt. Immerhin: Weitere Kürzungen und Streichungen hat er erst einmal nicht vor. Wird schon. Er glaubt daran. Es passt zu dem liberalen, und umstrittenen, Umgang seines Landes mit der Seuche.

Und Samuelsson plädiert dafür, als einer der wenigen in der Branche, dass ein staatliches Anschieben der Autowirtschaft nur ganz gezielt abläuft: "Die Corona-Krise sollte uns nicht zurück zu alten Techniken führen", sagt der Automanager. Die deutsche Regelung begrüßt er entsprechend, der zufolge bis Ende des kommenden Jahres elektrische und teilelektrische Autos vom Staat subventioniert werden. "Es wäre rausgeschmissenes Geld, wenn Staaten nun Benziner und Diesel subventionieren würden." Stattdessen sollte auch noch etwa in Ladeinfrastruktur investiert werden. Diese Haltung liegt freilich auch daran, dass er für Volvo genau diese Marktlücke entdeckt hat: Das saubere, friedliche Image von den freundlichen Schweden, so wie man es bei Roxette oder Abba spürt (wobei Samuelsson übrigens bevorzugt Coldplay hört): "Unsere Kunden wünschen sich Sicherheit und zwar in allen Dimensionen, auch für den Planeten und das Klima." Sie würden nicht zurückkommen nach der Pandemie und wie üblich Benziner und Diesel kaufen wollen.

"Die Krise hat uns vor Augen geführt, dass Nachhaltigkeit und Gesundheit ein großer Wert ist." Klingt gut, ist aber vor allem den ökonomischen Zwängen geschuldet. Vor zehn Jahren lag Volvo ziemlich am Boden. Der Kurzzeit-Eigentümer Ford konnte damit nicht wirklich etwas anfangen. Der chinesische Geschäftsmann Li Shufu übernahm im Juli 2010 mittels einer damals auch in China unbedeutenden Autounternehmung namens Geely, er holte bald danach Samuelsson. Seitdem gab es viele Geschichten darüber, die von Chinesen berichteten, die in der Firmenzentrale sitzen, still und doch womöglich mächtig. Und jetzt gerade wird ein enger Zusammenschluss von Volvo Cars und Geely Auto geprüft, was möglicherweise weniger Eigenständigkeit für Göteborg bedeutet, aber eine höhere wirtschaftliche Schlagkraft für all die Konzernmarken, die teilweise auch schon in Europa angekommen sind, wie etwa das E-Auto Polestar oder Lynk & Co.

"Geschäfte mit China laufen doch allermeist zum Vorteil beider."

Dennoch: Volvo mit Geely, das ist nahe dran an dem Szenario, das Europas Politiker fürchten. Nach der Seuche droht demnach der Ausverkauf der europäischen Industrie. Samuelsson will darüber nicht groß reden. Er leitet das Projekt zum Zusammenschluss: "Geschäfte mit China laufen doch allermeist zum Vorteil beider", sagt er. Und verweist darauf, was geschehen ist: Seit Volvo zu Geely gehört, hat sich der Autoabsatz fast verdoppelt, ebenso die Zahl der Mitarbeiter. 8400 arbeiten nun in China, aber auch Schweden profitiert.

Doch trotz der Aufholjagd ist die von ihm geführte Autofirma weit kleiner als die deutsche Premiumkonkurrenz, die stets als Messlatte gilt in Göteborg: Je nach Kenngröße hat Volvo die Hälfte oder nur ein Drittel des Absatzes von Mercedes, Audi oder BMW, ein Drittel der Mitarbeiter, und beim Umsatz liegt man noch weiter hinten. Li Shufu ist zwar Milliardär und offensichtlich schätzt er westliche Marken: Er ist auch mit zehn Prozent an Daimler beteiligt. Aber er will auch das Geld zusammenhalten, strebt nach Kooperationen zwischen Göteborg und Stuttgart etwa, was beide Seiten stets unkommentiert stehen lassen. Und auch von Samuelsson verlangte er bei der ganz eigenen Marke Volvo ein sparsames Wirtschaften.

Der Vorstandschef machte aus der Not eine Tugend. Die teure Weiterentwicklung von Dieselmotoren ist beendet. Mangels Ressourcen - aber dafür mit großem Nachhaltigkeits-Tamtam. Die Entwicklung von Benzinmotoren treibt die Geely-Group voran, nicht mehr Volvo allein. Stattdessen setzt Samuelsson vor allem auf die Elektrifizierung. Viele Hybride sind im Angebot. Weil allerdings derzeit noch kein einziges reines Volvo-Elektroauto auf dem Markt ist, lästert man in der Branche auch öfter von einem "PR-Stunt", einer Aktion, die vor allem Schlagzeilen bringen soll. Genauso wie jene Ankündigung, dass Volvos künftig nur noch 180 km/h fahren werden. Die deutschen Hersteller halten hingegen weiter die 250 km/h als Spitzengeschwindigkeit hoch.

"Da mögen einige aufschreien", sagt Samuelsson, und Volvo verliere damit vielleicht einige Kunden. "Aber die gehören sowieso nicht richtig zu uns." Die Geschwindigkeitsbeschränkung passt zu dem Image, das er haben wolle als Hersteller funktionaler Familienautos. "Denken Sie daran", sagt Samuelsson, "dass auch auf den sicheren deutschen Autobahnen etliche Unfälle passieren, weil so extreme Geschwindigkeiten gefahren werden." Das ist aber wiederum ein Argument, das auch ein gut verkaufter Kompromiss ist. Wobei der Schwede wohl sagen würde: Pragmatismus. "Elektroautos ziehen bei Höchstgeschwindigkeiten so viel Strom, da wäre die Batterie sofort leer."

Und was die Produktpalette anbelange, da sei man konsequent künftig: Im Jahr 2025 sollen die Hälfte aller Volvos reine Batterieautos sein, die andere Hälfte zumindest Hybrid-Wagen. Er glaubt daran.

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