Cannabis:Gegen den Schmerz

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In Israel darf Cannabis zur Behandlung gesundheitlicher Probleme verschrieben werden. Nun warten viele Firmen auf eine Export-Genehmigung.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

So etwas gibt es wohl selten: Dass ein ehemaliger Ministerpräsident und ein früherer Polizeichef gemeinsam auftreten, um Druck zu machen für die Legalisierung von Cannabis. Anfang Juni haben sich Ehud Olmert und Johanan Danino öffentlich über die anhaltende Blockade in Israel beschwert. Sie hatten sogar Erfolg damit: Denn am Sonntag startete das Gesetzgebungsverfahren, das eine volle Liberalisierung zum Ziel hat. Der dafür zuständige Knesset-Ausschuss gab grünes Licht für einen Antrag, der Straffreiheit für den persönlichen Gebrauch von Cannabis vorsieht.

Olmert und Danino hatten eigentlich nur die Freigabe von Exportgenehmigungen für medizinisches Cannabis angemahnt. Beide sind, ebenso wie der frühere Ministerpräsident Ehud Barak und der ehemalige Geheimdienst-Chef Jaakov Peri, im Cannabis-Geschäft tätig. Die Verantwortlichen hätten sich an ihn und Barak gewandt, um eine Art "öffentliche Legitimität" zu bekommen, sagte Olmert, der seit dem Vorjahr bei der auf medizinisches Cannabis spezialisierten Firma Univo tätig ist. "Wenn man Leute anwirbt, die nicht dem Typus des Gras-Rauchers entsprechen, dann bekommt man eine gewisse Form der Aufmerksamkeit und Seriosität." Die Gesetzgebung spiegele noch das konventionelle Denken wider, "dass es sich bei Cannabis um Gras, Hasch oder Marihuana handele - also etwas Gefährliches". Dabei sei längst die medizinische Wirkung bestätigt. Es sei richtig gewesen, von den in Israel tätigen Unternehmen, den Ruf dieser Personen auszunutzen. "Das hat den Marktwert dieser Firmen erhöht", sagt Olmert. Baraks Unternehmen Intercure hat vergangene Woche eine Finanzierungsrunde geschlossen und elf Millionen Dollar eingenommen.

Der ehemalige Polizeichef Danino, der im Vorstand des Unternehmens Together Pharma tätig ist, berichtete, dass er auch immer wieder gefragt werde, warum er ausgerechnet in der Cannabis-Branche tätig sei: "Wenn man sieht, welche Erleichterungen es für Patienten gibt durch Cannabis-Produkte und wie sich ihr Leben verbessert, wenn sie nicht mehr Schmerzmittel nehmen müssen, dann stellt sich diese Frage nicht mehr." Israel habe zehn Jahre lang Erfahrung mit Cannabis-Produkten. "Das ist ein Vorteil, den wir nutzen sollten. Gerade jetzt in wirtschaftlich schwierigen Zeiten durch das Coronavirus. Das ist eine Möglichkeit, in die wir investieren sollten, und durch den Export können auch Arbeitsplätze geschaffen werden."

Eigentlich waren die Exportgenehmigungen für vergangenen Herbst versprochen worden. In Israel wurde in den vergangenen zwei Jahren drei Mal gewählt. In einem der Wahlkämpfe, als der Politiker Mosche Feiglin mit Cannabis auf Stimmenfang ging, hatte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eine rasche Umsetzung versprochen. Ein Einspruch von US-Präsident Donald Trump und das Coronavirus haben aber die Entwicklung gebremst. Bisher ist Kanada das einzige Land, das Cannabis zu medizinischen Zwecken exportiert, Israel wollte dem Pionier folgen.

Das Finanzministerium hatte schon auf sprudelnde Steuereinnahmen gehofft, denn israelische Firmen stehen in den Startlöchern und sehen einen Exportmarkt von mehr als einer Milliarde US-Dollar pro Jahr. Bisher beträgt der Umsatz der im Cannabis-Bereich tätigen Firmen in Israel rund 150 Millionen Dollar. Eine Studie, die im Auftrag der Regierung Netanjahu vor zwei Jahren erstellt worden war, schätzt die wirtschaftlichen Impulse für den israelischen Markt auf bis zu 1,4 Milliarden Euro. Das Jerusalem Institut für Marktstudien, ein ökonomischer Thinktank, hat errechnet, dass die völlige Legalisierung von Cannabis in Israel zu zusätzlichen Steuereinnahmen in Höhe von 675 Millionen US-Dollar führen würde. Der Staat könne sich durch die Legalisierung im Bereich der Polizei und Justiz pro Jahr weitere 53 Millionen US-Dollar ersparen, heißt es in der Studie. Es wird geschätzt, dass der Schwarzmarkt alleine in Israel 1,7 Milliarden US-Dollar ausmacht. Angesichts eines kleinen Landes mit etwas mehr als acht Millionen Einwohnern ist das eine große Zahl.

Laut einer Studie der Vereinten Nationen ist Israel jenes Land, in dem weltweit die meisten Marihuana-Konsumenten leben. 27 Prozent der Erwachsenen zwischen 18 und 65 Jahren haben 2016 Marihuana konsumiert, mit großem Abstand folgen die Isländer (18 Prozent) und die USA (16 Prozent).

In Israel darf Cannabis zur Behandlung gesundheitlicher Probleme bereits seit mehr 25 Jahren verschrieben werden. 28 000 Patienten werden damit versorgt. Seit 2017 gibt es deutlich mildere Strafen für den Gebrauch von Cannabis. Ersttäter werden nicht mehr verhaftet und strafrechtlich verfolgt, sondern nur noch mit einem Bußgeld von umgerechnet 250 Euro belegt. Das soll durch die nun gestartete Gesetzesinitiative fallen.

Viele Firmen sehen Wachstumschancen aber nicht nur im eigenen kleinen Land, sondern vor allem durch den Export. Acht Anbaugebiete für Hanfpflanzen gibt es bereits, 50 Unternehmen arbeiten in dem Bereich, weitere stehen bereit und warten auf die endgültige Genehmigung für den Export.

Unter den Bewerbern für Genehmigungen finden sich auch 14 Kibbuzim wieder. Dort hegt man offensichtlich die Hoffnung, Marihuana könnte den sozialistischen Kollektivsiedlungen wieder zu altem Glanz und einem wirtschaftlichen Aufschwung verhelfen. Seit orthodoxe Rabbiner Zertifikate ausgestellt haben, gibt es auch eine Reihe von Hanfprodukten, die als koscher gelten - womit auch streng religiöse Israelis kiffen dürfen.

© SZ vom 23.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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