Malawi:Zweiter Versuch

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Nach einem Wahl­fälschungs­skandal und heftigen Protesten gehen die Bürger des ostafrikanischen Landes erneut zur Urne.

Von Anna Reuß, München

Das ostafrikanische Staat Malawi hat die Präsidentschaftswahlen wiederholt. Rund sieben Millionen Menschen waren am Dienstag aufgerufen, ihre Stimme abzugeben, nachdem ein Gericht im Februar eine frühere Wahl und somit den Wahlsieg des Amtsinhabers Peter Mutharika annulliert hatte. Chancen auf einen Sieg hat Umfragen zufolge Lazarus Chakwera, der das Oppositionsbündnis anführt. Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete über Festnahmen durch die Polizei. Zudem sollen der Opposition zufolge Anhänger der Partei Mutharikas versucht haben, Wähler anzusprechen und sich in die Abstimmung "einzumischen".

Hat gute Chancen, Malawis neuer Präsident zu werden: Lazarus Chakwera führt das Oppositionsbündnis an. (Foto: Amos Gumulira/AFP)

Malawi ist eines der ärmsten Länder der Welt. Der Korruptionsindex von Transparency International platziert es auf Rang 123 von 180 Staaten. Auf die Unabhängigkeit von Großbritannien 1964 folgten drei Jahrzehnte Einparteienherrschaft. 1993 wählten die Malawier zum ersten Mal frei, doch die Vetternwirtschaft der politischen und wirtschaftlichen Eliten verhindert bis heute echten Fortschritt.

Präsident Mutharika, der seit sechs Jahren im Amt ist, war als Sieger aus der Wahl im Mai 2019 hervorgegangen. Er bekam, so lautete zumindest die offizielle Erklärung, 38,6 Prozent der Stimmen. Die unterlegenen Kandidaten auf dem zweiten und dritten Platz verloren nur knapp: Mutharikas stärkster Herausforderer heißt heute wie damals Lazarus Chakwera. Er erhielt 35,4 Prozent der Stimmen.

Schon in den Wochen nach dieser ersten Wahl 2019 begannen die Menschen in der Hauptstadt Lilongwe auf die Straße zu gehen. Die Malawier waren wütend darüber, wie plump das Lager Mutharikas die Wahl manipuliert hatte. Sie demonstrierten gegen das, was sie "Tippex-Wahl" nannten. Diese weiße Korrekturflüssigkeit wurde in den Fünfzigerjahren erfunden, um mit der Schreibmaschine getippte Fehler zu übertünchen. In Malawi wurden damit auf zahlreichen Wahlbögen Ergebnisse überschrieben. Die Kundgebungen und Proteste zogen sich bis in den Herbst, Rücktrittsforderungen an die Vorsitzende der Wahlkommission, Jane Ansah, wurden lauter. Sie gab vor wenigen Wochen schließlich ihren Posten auf. Während des Prozesses um die Wahlfälschung war bekannt geworden, dass ihr, als sie das Ergebnis verkündete, bestätigte Ergebnisse aus weniger als einem Drittel der Wahllokale vorgelegen hatten. Die Oppositionsparteien behaupteten zudem, zahlreiche Urnen seien am Wahltag bereits mit ausgefüllten Stimmzetteln gefüllt gewesen.

Er und seine Partei sollen die Wahlen im Mai 2019 massiv gefälscht haben: Amtsinhaber Peter Mutharika tritt erneut zur Wahl an. (Foto: Thoko Chikondi/dpa)

Der Präsident und seine Gehilfen kamen mit der Wahlfälschung nicht davon: Im Februar dieses Jahres verkündete das Verfassungsgericht Malawis ein für den ganzen Kontinent historisches Urteil: Wegen "systematischer und schwerer" Unregelmäßigkeiten erklärte es die Präsidentschaftswahl von 2019 für ungültig. Lokale Medien hatten über Bestechungsversuche berichtet. Das Urteil sah zudem Neuwahlen innerhalb von fünf Monaten sowie eine Verfassungsänderung vor, sodass nicht mehr die einfache Mehrheit ausreicht.

Eine Frau kommt mit ihrem Kind zum Wahllokal in Blantyre. Das Verfassungsgericht Malawis hatte die Wahl vom Mai 2019 für ungültig erklärt. (Foto: Thoko Chikondi/AP)

Erst zum zweiten Mal in der Geschichte des Kontinents hat ein Gericht der Anfechtung einer Wahl stattgegeben: 2017 hatte zuvor der Oberste Gerichtshof von Kenia den Sieg von Uhuru Kenyatta für ungültig erklärt. Kenyatta wurde zwar bei der nachgeholten Abstimmung wiedergewählt, allerdings war die Wahlbeteiligung dabei gering. Afrikaner auf dem ganzen Kontinent würdigten deshalb die Entscheidung des malawischen Gerichts als Sieg für die Demokratie.

Sollte niemand die absolute Mehrheit im ersten Wahlgang erhalten, ist für den 2. Juli die zweite Runde angesetzt. Den Sieger erwarten große Herausforderungen: Malawi muss, wie viele afrikanische Staaten, mit einem unterfinanzierten Gesundheitssystem die Corona-Pandemie bekämpfen. Es gibt nur eine Handvoll Beatmungsgeräte und im Verhältnis zur Bevölkerung nur wenige Intensivbetten.

© SZ vom 24.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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