Tennis:Djokovic hat seine Aura selbst verspielt

Tennis: Novak Djokovic bei der Adria-Tour

Novak Djokovic bei der Adria-Tour

(Foto: AP)

Nachdem sich bei der Adria-Tour zahlreiche Spieler mit dem Coronavirus infiziert haben, gerät die Vorbildrolle von Novak Djokovic in Zweifel. Ob der Tennisprimus in seinem ATP-Amt noch tragbar ist, müssen die Spieler nun klären.

Kommentar von Barbara Klimke

Der All England Club hat sich dieser Tage zu Wort gemeldet: mit Tipps zur Rasenpflege. Empfohlen wird der Einsatz eines Rechens mit Zinkenfächer, um Moos aus dem Gras zu harken. Viel mehr als Gartenpflege findet in Wimbledon in diesem Sommer nicht statt. Der Centre Court, auf dem vor Jahresfrist der Serbe Novak Djokovic seinem Dauerrivalen Roger Federer in fünf packenden Sätzen den Titel entriss, bleibt zugesperrt. Für die einzige sportliche Aktion unterm Stadiondach muss Rufus, der Turnier-Falke, sorgen, der die Tauben jagt.

Wimbledon war der erste der Grand-Slam-Veranstalter, der sein Tennisturnier strich, am 1. April schon, als die Corona-Zahlen auf der Insel beängstigend nach oben schnellten. Die French Open und die US Open hoffen noch immer, ihre Wettbewerbe später im Jahr mit rigorosen Hygienekonzepten über die Bühne zu bringen. Diese Pläne hat Novak Djokovic, der Weltranglistenerste, durch seine Extratouren in Serbien und Kroatien nun torpediert: Vier Spieler, auch er selbst, Trainer und Ehefrauen haben sich bei seiner Schaukampfserie, der Adria-Tour, gegenseitig und womöglich auch andere mit Covid-19 infiziert. Damit sind die Gesundheitsschutzbestimmungen anderer Turniere erneut in Frage gestellt.

Vermutlich ist es müßig zu spekulieren, ob es Hybris war, die Djokovic, einen 17-maligen Grand-Slam-Sieger, fälschlicherweise glauben ließ, dass er und seine Profikumpels immun seien gegen ein Virus, das Menschen weltweit die Luft zum Atmen nimmt. Schon bevor er Kollegen umarmte, abklatschte, zu Fußballspielen und schwülen Club-Nächten animierte sowie Tennismatches vor vollen Rängen arrangierte, hatte er mit Aussagen zu Impfstoffen irritiert. Wenn Djokovic auf Heilwasser vertraut, ist das Privatsache. Alle Warnungen, auch die der Berufsgenossenschaft, in den Wind zu schlagen, hingegen grenzt an einen Sabotageakt.

Denn zu den Mahnern gehörte auch die Männertour ATP, in der Djokovic als Präsident des Spielerrates amtiert. Die ATP hat ihre Profis zum Social Distancing aufgerufen, das ist einer Meldung auf der Homepage zu entnehmen. Darüber hinaus stellte ATP-Präsident Andrea Gaudenzi in der New York Times klar, dass dem Tross der Adria-Tour und ähnlicher Privatturniere geraten worden sei, "angemessene Vorsichtsmaßnahmen" zu beachten. Auch wenn solche Schaukämpfe nicht dem ATP-Reglement unterliegen.

So muss nun, bei allem Mitgefühl für die Infizierten, Djokovics Vorbild- und Führungsrolle in der Tennisszene in Zweifel gezogen werden. Die Reihe der Kritiker reicht von Martina Navratilova bis zu Bruno Soares, einem Doppelexperten, der wie Djokovic im ATP-Spielerrat sitzt und den Kollegen "unverantwortlich und unreif" nennt. Ob der Tennisprimus in seinem ATP-Amt weiter tragbar ist, müssen die Profis unter sich ausmachen. Auf dem Tenniscourt ist Djokovic in dieser Saison noch ungeschlagen. Doch die Anerkennung, die er noch vor einem Jahr in Wimbledon spürte, ist verloren. Die hat er, mutwillig, selbst verspielt.

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