Bayerischer Landtag:SPD will mehr Mitsprache des Parlaments

Freie Wähler fordern in Krisenzeiten mehr Befugnisse für den Land

Die Opposition im Landtag sieht sich nicht ausreichend in die Corona-Politik eingebunden. Nun droht die SPD mit einer Verfassungsklage.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Die Abgeordneten diskutieren, ob die Staatsregierung sie gut eingebunden hat, als sie während der Corona-Krise Verordnungen erließ. Und im Landtag taucht ein überraschender Gast auf: Björn Höcke.

Von Andreas Glas

Fünf Minuten spricht Alexander Hold (Freie Wähler), dann legt er sein Manuskript zusammen. Es sieht aus, als wolle er das Pult schon verlassen, da greift in der zweiten Reihe ein Abgeordneter zum Mikro. Eine normale Sache, eigentlich. Nur ist es kein Abgeordneter der Opposition, der etwas zu mäkeln hat, sondern Winfried Bausback (CSU), der ja mit Holds Partei koaliert. Ob Hold gerade gesagt habe, dass es in der Corona-Krise "Informationsdefizite" bei der Staatsregierung gegeben habe? Das will Bausback wissen. Er sagt: "Wenn ich Sie da falsch verstanden habe, dann bitte ich, mir das zu sagen." Nein, nein, sagt Hold, "keine Defizite". Aber es gebe eben Regeln, "wie das Parlament zu informieren ist und da sollten wir als Parlament auch selbstbewusst darauf pochen".

Es ist ein sensibles Thema, das am Donnerstag im Landtag auf der Tagesordnung steht. Wie sensibel, ist auch am Dialog zwischen Hold und Bausback zu sehen. Daran, dass sich nicht einmal die Regierungskoalition völlig einig ist. Es geht um die Frage, ob die Staatsregierung das Parlament immer optimal eingebunden hat, als sie im Verlauf der Corona-Pandemie mehrere Verordnungen erließ, die tief in die Grundrechte eingriffen: Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen, Besuchs- und Versammlungsverbote. FDP, Grüne und AfD sagen: nein. Die CSU sagt: ja. Und die Freien Wähler: jein.

Anlass für die Debatte im Landtag ist ein Gesetzentwurf der SPD. Darin fordern die Sozialdemokraten, dass die Regierung das Parlament künftig informiert, bevor sie entsprechende Rechtsverordnungen erlässt - und sich das Einverständnis der Abgeordneten abholt. In der Corona-Krise sei das nicht geschehen, kritisiert SPD-Fraktionschef Horst Arnold, von den Verordnungen habe man immer erst dann erfahren, als Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vor die Presse trat. Die Staatsregierung sei eigentlich verpflichtet, vorher "im Landtag die Karten auf den Tisch zu legen", sagt Arnold zu Beginn der Debatte. Stattdessen habe die Regierung "uns an der Nase herum geführt", das Parlament "war Zuschauer, ja, teilweise sogar Statist". Das habe gezeigt, "dass parlamentarische Legitimation für Sie überhaupt keine Rolle spielt", sagte Arnold mit Blick in die Reihen der CSU-Abgeordneten.

Dann tritt Tobias Reiß (CSU) ans Pult. Er grinst. Offenbar gehe es Arnold um Lockerung der Corona-Maßnahmen, "da verstehe ich gar nicht, warum Sie so verspannt sind", sagt Reiß und macht direkt klar, dass er nicht vorhat, das sensible Thema auch sensibel zu debattieren. Das von der SPD vorgeschlagene Gesetz namens Parlamentsbeteiligungsverbesserungsgesetz sei "so sperrig wie der Titel", passender wäre "Verschlimmbesserungsgesetz", sagte Reiß. Er verweist zunächst auf das Infektionsschutzgesetz des Bundes, das die Landesregierungen ermächtigt, während der Pandemie eigene Rechtsverordnungen zu erlassen und dabei eben in Grundrechte einzugreifen. Alles rechtens also, sagte Reiß, und sinnvoll. Bei Gefahr "braucht man schnelles Handeln", das sei aber unmöglich, wenn jede Verordnung erst mal im Parlament besprochen und beschlossen werden müsste, sagte Reiß.

So ähnlich sagte das auch Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU). Dass SPD-Mann Arnold von "Rechtsbruch" spreche, sei "haltlos" und "absurd". In der Krise habe die Regierung schnell handeln müssen, um "Gefahren von der Bevölkerung abzuhalten", sagte Herrmann, "so wie die Feuerwehr sofort löschen muss und nicht erst eine Anhörung dazu abhalten muss". Dass die Menschen mit diesem Krisenmanagement einverstanden seien, sehe man an der hohen Zustimmung in Umfragen, sagte Herrmann. Und er betonte, dass relativ wenige Klagen gegen die Verordnungen erfolgreich gewesen seien.

Der FW-Abgeordnete Hold sieht das differenzierter. Natürlich sagt auch er, dass die Regierung in der Krise die richtigen Entscheidungen getroffen habe. Und dass sie in der Krise schnell handeln müsse. Er sagt aber auch: Wäre eine andere Regierung an der Macht, die etwa den schwedischen Kurs verfolgt hätte, wo es weniger Beschränkungen gab und im Verhältnis mehr Tote, dann hätte ein stärkeres Parlament womöglich korrigierend einwirken können. Man müsse "eine Balance finden", sagte Hold.

Er liegt damit gar nicht so weit weg von SPD, FDP und Grünen, die allesamt Vorschläge für mehr Beteiligung des Parlaments gemacht haben - und denen es nach eigenen Aussagen nicht darum gehe, im Landtag über jeden Zentimeter zu diskutieren, den die Menschen in Pandemiezeiten Abstand halten sollten. Sondern um Mitsprache bei Eingriffen in Grundrechte. Falls die schwarz-orange Koalition diese Mitsprache nicht garantiere, behalte man sich weiter eine Verfassungsklage vor, sagt SPD-Fraktionschef Arnold. Sein Gesetzentwurf wird nun im Verfassungsausschuss weiterbehandelt. Dass die Koalition der Opposition entgegenkommt, glaubt Martin Hagen (FDP) jedoch nicht. CSU-Mann Bausback habe FW-Mann Hold "ja schon zur Ordnung gerufen", sagt Hagen.

Zur Ordnung gerufen wurde am Donnerstag auch ein überraschender Gast im Landtag: Björn Höcke, AfD-Landeschef in Thüringen. Er besuchte Katrin Ebner-Steiner, die Chefin der AfD-Fraktion im bayerischen Landtag. Da er sich nicht an die Maskenpflicht für Besucher hielt und im Steinernen Saal ein Interview gab, wo sich zurzeit keine Besucher aufhalten dürfen, wurde er von Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) von dort verwiesen. Aigner schickte ihm dann noch ein paar Worte hinterher: "Als Faschist", sagte sie, sei Höcke "hier nicht willkommen".

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