Frischluftschneise:Rufen der Zwergfledermaus bleibt ungehört

Frischluftschneise: Mauersegler, Hausrotschwanz und Feldsperling wurden nahe dem Gewerbegebiet Nord in Unterhaching von den Grünen gesichtet. Sie hätten gerne eine Umweltprüfung, bevor das Gewerbegebiet erweitert und Häuser mit einer Höhe bis zu 21 Metern gebaut werden.

Mauersegler, Hausrotschwanz und Feldsperling wurden nahe dem Gewerbegebiet Nord in Unterhaching von den Grünen gesichtet. Sie hätten gerne eine Umweltprüfung, bevor das Gewerbegebiet erweitert und Häuser mit einer Höhe bis zu 21 Metern gebaut werden.

(Foto: Claus Schunk)

Unterhaching will im beschleunigten Verfahren das Gewerbegebiet Nord erweitern - trotz der Nähe zur Frischluftschneise. Gegen die Pläne stimmen nur Grünen-Gemeinderäte, aber selbst die nicht geschlossen

Von Iris Hilberth, Unterhaching

Wer von Nordosten aus auf Unterhaching zufährt, wird wohl der Gemeinde jedwede Schönheit absprechen. Mit dem als Gewerbegebiet Nord bezeichneten Areal westlich der Neubiberger Straße hat er neben dem Wertstoffhof vor allem Lagerplätze im Blick. Schon länger erwägt die Gemeinde daher, das Gebiet zu überplanen, wertiger zu gestalten und damit auch einen attraktiven Ortseingang zu schaffen. Der städtebauliche Entwurf sieht zudem für die westlich angrenzenden Grundstücke eine Entwicklung in der Höhe vor. Bei den Grünen allerdings schrillen die Alarmglocken, denn unweit des Areals befindet sich der regionale Grünzug und mit ihm die Frischluftschneise für die Landeshauptstadt München.

Jetzt drückt die Gemeindeverwaltung aufs Tempo. Sie will mit in einem beschleunigten Verfahren einen Bebauungsplan erstellen. Denn laut Simon Hötzl, zu dessen Aufgabe im Rathaus die Wirtschaftsförderung zählt, sind Firmen bereit, sich hier zu vergrößern. "Es ist eines unserer wenigen klassischen Gewerbegebiete, das man im Bestand entwickeln kann", sagte er in der Gemeinderatssitzung am Mittwochabend. Für einen Teil der künftig möglichen baulichen Entwicklung sollen bereits "ernsthafte Anfragen und Vormietverträge" vorliegen. Den Grünen entgegnete er: "Das Plangebiet ist nicht in einem festgesetzten regionalen Grünzug gelegen." Da überall gerade die Gewerbesteuer wegbreche, hält Hötzl diese Planung für "essenziell". Die CSU sieht das ähnlich. "Wir begrüßen die Weiterentwicklung", sagte deren Fraktionssprecher Korbinian Rausch. Gebaut werden solle auf einem jetzigen Parkplatz. "Wenn nicht dort, wo dann?", so Rausch.

Die Grünen sehen dieses Gelände aber nicht als unproblematisch an. Es werde behauptet, dass keine besonderen oder gar streng geschützten Tiere und Pflanzen existierten, so Stefan König. Bei einer Begehung seien jedoch Mauersegler, Hausrotschwanz und Feldsperling gesichtet worden. Auch habe man die Rufe der Zwergfledermaus nachweisen können. Die Grünen stört, dass aufgrund der geringen Größe des Geländes keine Umweltprüfung durchgeführt werden muss. Vor allem aber sehen sie die Gebäudehöhen von teilweise bis zu 21 Metern sehr kritisch. Denn die Definition des Grünzugs und damit der Frischluftschneise sei durch den Regionalen Planungsverband München absichtlich nicht "flächenscharf", sondern "gebietsscharf" gehalten. Ob nun hohe Häuser am Rande die Funktion beeinträchtigen, wissen die Unterhachinger Grünen auch nicht. Doch wollen sie das vorher geklärt haben, bevor sie solchen Bauvorhaben zustimmen.

Stefan König und Claudia Köhler sprachen sich daher dafür aus, erst einmal das kurz vor der Veröffentlichung stehende klimatologische Gutachten des Deutschen Wetterdiensts (DWD) sowie das von München geforderte "Strukturkonzept Hachinger Tal"abzuwarten. Beide Gutachten stehen im Zusammenhang mit den Plänen der Gemeinde Neubiberg, in dem Grünzug neben Infineon ein weiteres Gewerbegebiet zu erschließen. Unterhaching hatte sich im vergangenen Sommer, als die Gemeinde von den Ideen der Nachbarn überrascht wurde, gegen solche Pläne ausgesprochen. Schon den bestehenden Komplex von Infineon sieht man in Unterhaching inzwischen teilweise kritisch, eine weitere Bebauung, die die Frischluftzufuhr für München ausbremsen könnte, in Zeiten des Klimawandels nicht zielführend. Zwar gab es noch keine offizielle Stellungnahme, wie Bürgermeister Wolfgang Panzer (SPD) erinnerte. Doch ab und zu müsse man denen die Grenzen aufzeigen. "Wir haben ihnen mitgeteilt, dass wir das nicht wollen", so Panzer.

Dass aber die Grünen keinen flotten Einstieg in ein beschleunigtes Bebauungsplanverfahren am Unterhachinger Rand des Grünzugs wollen, versteht der Bürgermeister nicht so ganz. "Es ist nur der Start in das Verfahren. Wir steigen jetzt erst in die Diskussion ein", betonte er. König sei zu früh mit seinen Einwänden dran. Als Vorsitzender des Bundes Naturschutz könne er bei der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange seine Stellungnahme abgeben.

Claudia Köhler beruhigte dieser Hinweis aber nicht: "Wir wissen doch alle, dass es nach dem Einstieg in das Verfahren sehr schwer ist, wieder auszusteigen", gab die Grünen-Gemeinderätin und Landtagsabgeordnete zu bedenken. Es gebe keine Eile, da derzeit alle Unternehmen die wirtschaftliche Entwicklung abwarteten. Auf die Gutachten warten will Hötzl nicht. "Auf das Hochwassergutachten für den Hachinger Bach warten wir seit fünf Jahren", sagte er. Letztlich stimmten nur sechs der acht anwesenden Grünen-Gemeinderäte gegen den Entwurf.

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