Kommentar zu Bike-Lanes:Gegen die träge Macht

Kommentar zu Bike-Lanes: Räder, wo vorher Autos waren? Wegen Corona war das auf einmal möglich.

Räder, wo vorher Autos waren? Wegen Corona war das auf einmal möglich.

(Foto: Robert Haas)

Einfach mal ausprobieren: Im Straßenverkehr ist das schwierig. Denn Gewohnheiten ändern sich langsam, besonders im Verkehr

Von Jakob Wetzel

Es ist ein Praxistest. Seit dieser Woche gibt es in München fünf "Pop-up-Bike-Lanes" auf bisher mehrspurigen Autostraßen. Weniger Platz für Autos, mehr für Fahrräder - ob sich das bewährt und die Radwege dauerhaft erhalten bleiben sollen, will die Stadt im Oktober entscheiden. Sie wartet also nicht auf Machbarkeitsstudien, sondern wagt jetzt einfach den Machbarkeitstest. Das ist nachvollziehbar, es bringt Bewegung in eine festgefahrene Debatte. Doch ob die Zeit bis Oktober ausreicht, das ist fraglich. Einfach mal ausprobieren: Im Straßenverkehr ist das schwierig. Denn Gewohnheiten ändern sich langsam, besonders im Verkehr.

Beispiele dafür gibt es viele. Zum Beispiel die Denninger Straße in Bogenhausen, ab dem Herkomerplatz ostwärts. Die Stadt hat dort vor einigen Jahren die Radwege abmarkiert, die Schilder abgebaut, also die sogenannte Radwegbenutzungspflicht aufgehoben. Zu Beginn machten darauf große Schilder aufmerksam. Auf der Fahrbahn fährt aber trotzdem kaum einer, dabei sind die Radwege schmal und oft holprig. Doch wer als Radfahrer dann zwei, drei Mal angehupt und ausgeschimpft worden ist, weil er auf der Straße gefahren ist, der ist es leid, anderen die Verkehrsführung zu erklären. Das prominenteste Beispiel für die Macht der Gewohnheit im Straßenverkehr ist wohl die Einbahn-Regel auf der Brienner Straße. Seit dem vergangenen Sommer dürfen private Autos dort zwischen Luitpoldblock und Ludwigstraße nur noch in Richtung Königsplatz fahren, nicht mehr in Richtung Odeonsplatz. Das war zu eng geworden für Radfahrer, Autos und Busse. Doch die neue Einbahnstraße brachte erst einmal keine Lösung, sondern nur Strafzettel. Denn viele Autofahrer fuhren einfach trotzdem, aus Unkenntnis, aus Wurstigkeit oder auch, weil das Navigationsgerät halt so wollte. Bis heute sind dort Autos in verkehrter Richtung unterwegs.

Es dauert, bis sich Gewohnheiten ändern. Auf den "Pop-up-Bike-Lanes" wird das nicht anders sein. Die Zweibrückenstraße etwa haben vernünftige Fahrradfahrer bisher eher gemieden, wenn es irgendwie ging. Schmale Radwege führten an zum Teil ebenso schmalen Fußwegen entlang, immer wieder gab es schwere Unfälle. Der Stadtrat hat darüber immer wieder diskutiert, passiert ist nichts. Bis wirklich alle Fahrradfahrer der Zweibrückenstraße eine neue Chance geben werden, kann es dauern. Wenn die Stadt im Oktober über ihre "Pop-up"-Radwege entscheidet, sollte sie das im Auge behalten.

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