Kurzkritik:Gegenmittel

Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks spielt wieder

Von Egbert Tholl

Es dürfe nicht sein, sagt Nikolaus Pont, der Manager des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks, dass klassische Musik exklusiv, etwas nur für Wenige werde. Und zwar oben auf dem Podium wie unten im Parkett. Nach verschiedenen Streaming-Aufnahmen, etwa mit Sir Simon Rattle, spielt das BRSO zum ersten Mal wieder vor Publikum. Dieses ist natürlich virusbedingt handverlesen, freut sich aber genau so "wahnsinnig" (Pont) wie die Musiker selbst. Auch wenn von diesen nur 26 mitmachen dürfen, was allerdings für das hier gespielte Repertoire eine Idealbesetzung darstellt. Vorromantische Musik hat wegen der aktuellen Beschränkungen gerade Konjunktur.

Auch dieses Konzert wird aufgezeichnet, deshalb bleibt das Licht im Herkulessaal an, dessen Parkett nun, wegen der damit leichteren Separierung, über einen Mittelgang verfügt. Das Erstaunliche an der Situation: Der Saal wirkt auf einmal viel festlicher als gewohnt. Natürlich sitzen die 100 Gäste auch hier versprengt voneinander, aber der Ort ist deutlich erträglicher als derzeit die Philharmonie - er fasst ja im Normalfall auch nur gut halb so viele Menschen.

Sobald der entzückende Giovanni Antonini vor dem gleichfalls stehendem Orchester steht, ist alles vergessen, was einem im Kopf zur Pandemie herumschwirren könnte. Dieses Konzert ist fabelhaft gut. Antonini ist ein Meister der Alten Musik, und das so agile, anschmiegsame Orchester spielt diese, als machte es nie etwas anderes. Der Ausschnitt vom Glucks Ballettmusik "Don Juan oder das Fest der Steine" ist reine Poesie, pulsierend, hellwach gespielt, absolut perfekt und leuchtend. Die schlanke Besetzung beschert ein kammermusikalisches Fest. Dieses findet seine Fortsetzung mit Haydns erstem Cellokonzert; vielleicht kein letztgültiges Meisterwerk, aber hier nun im Solopart von Jean-Guihen Queyras mit viel Eigensinn versehen. Danach die c-moll-Sinfonie des Mozart Zeitgenossen Joseph Martin Kraus. Diese hat einen ganz eigenen Ton, eine sehr spezielle Farbigkeit, eine sehr direkte Motorik. Antonini öffnet damit die Ohren, das Musizieren strotzt vor Lebendigkeit. Ein Erlebnis, das jedes Virus besiegt.

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