Völkerrecht:Auf Sand gebaut

Laut einer verpflichtenden Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen sind die Siedlungen der Israelis illegal. Die Vereinigten Staaten und der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu sehen das jedoch völlig anders.

Von Alexandra Föderl-Schmid

UN-Generalsekretär António Guterres warnte vergangene Woche vor einer Annexion von Teilen des von Israel besetzten Westjordanlandes: "Im Falle einer Umsetzung würde die Annexion einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Völkerrecht darstellen, die Aussicht auf eine Zwei-Staaten-Lösung erheblich beeinträchtigen und die Möglichkeit neuer Verhandlungen untergraben", sagte Guterres vor dem Sicherheitsrat. Der UN-Chef forderte die israelische Regierung auf, ihre Pläne aufzugeben. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kann laut dem Koalitionsvertrag der israelischen Regierungsparteien ab 1. Juli Schritte zur Umsetzung einleiten. Grundlage ist der Nahostplan von US-Präsident Donald Trump, der eine Annexion des Jordantals und der Gebiete, auf denen Siedlungen stehen, vorsieht - das sind rund 30 Prozent des Westjordanlandes.

Die EU-Staaten stufen den Bau von Siedlungen im Westjordanland als Verstoß gegen internationales Recht ein. Trumps Regierung ist anderer Ansicht: Außenminister Mike Pompeo erklärte im November 2019, der Siedlungsbau sei "nicht per se unvereinbar mit internationalem Recht".

450 000 Israelis leben inzwischen im Westjordanland und in Ostjerusalem

Dabei wurde auch mit der Stimme des US-Vertreters am 23. Dezember 2016 die Resolution 2334 des Sicherheitsrates beschlossen, die völkerrechtlich verpflichtend ist. Darin fordert der Rat von Israel, auf Maßnahmen zu verzichten, "die darauf abzielen, die demografische Zusammensetzung, den Charakter und den Status des seit 1967 besetzten palästinensischen Gebiets, einschließlich Ost-Jerusalems, zu ändern". Dann wird aufgelistet, was gemeint ist: "Der Bau und die Ausweitung von Siedlungen, die Überführung israelischer Siedler, die Beschlagnahme von Land, die Zerstörung von Wohnhäusern und die Vertreibung palästinensischer Zivilpersonen." Gemäß dem Völkerrecht sind alle 130 Siedlungen illegal. Inzwischen leben rund 450 000 Israelis im Westjordanland und in Ostjerusalem. Im Gazastreifen wurden 2005 unter Premier Ariel Scharon alle 21 Siedlungen geräumt.

Israel hat bisher zwischen legalen und illegalen Siedlungen unterschieden. Die meisten Siedler leben in Siedlungen, die von Israels Regierung schon bisher als legal eingestuft wurden. Der Staat erklärte Gebiete im Westjordanland zu Staatsland - darunter Land, das sich in palästinensischem Besitz befand - und stellte sie Siedlern zur Verfügung. Dabei beruft sich Israel auf Recht aus der Zeit der osmanischen, britischen und jordanischen Herrschaft.

2017 wurde das sogenannte "Formalisierungsgesetz" beschlossen, das Israel die nachträgliche Legalisierung von Siedlungen in den besetzten Gebieten ermöglichen sollte. Vor wenigen Tagen, am 9. Juni, erklärte das Oberste Gericht jedoch dieses Gesetz für verfassungswidrig. Das Gesetz "sucht illegale Akte nachträglich zu legalisieren, die von einer bestimmten Bevölkerung in der Region verübt wurden, während die Rechte anderer verletzt wurden", heißt es in dem Urteil, das in Israel als Rückschlag für Benjamin Netanjahus Pläne interpretiert wurde. Seine Likud-Partei kündigte an, das Gesetz erneut ins Parlament einzubringen. In einer Stellungnahme kritisierte der Likud die "Einmischung" des Gerichts, es handle sich um ein "wichtiges Gesetz für die Siedlungen und ihre Zukunft".

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