Münzinger und Karstadt Sports:"Es geht nicht allein um Wirtschaftlichkeit. Es geht um Immobilien"

Münzinger und Karstadt Sports: Sport Münzinger im Rathaus muss Ende des Jahres schließen - nach 130 Jahren.

Sport Münzinger im Rathaus muss Ende des Jahres schließen - nach 130 Jahren.

(Foto: Sebastian Gabriel)

Zwei Sportgeschäfte in der Innenstadt machen dicht - und das hat nicht nur mit dem Coronavirus zu tun.

Von Sabine Buchwald

Noch sind die Schriftzüge an den jeweiligen Häusern am Stachus und am Marienplatz zu lesen: Karstadt Sports und Münzinger. Doch im Laufe des Jahres werden sie verschwinden. Karstadt Sports hat seinen Mitarbeitern zum 31. Oktober gekündigt, bei Münzinger gehen zum Jahresende die Lichter aus. Die 130 Jahre andauernde Firmengeschichte ist dann zu Ende. Münzinger zählt zu den weltweit ältesten bis heute aktiven Sportgeschäften. Alle 20 Mitarbeiter sollen laut Firmeninhaber Flori Schuster "so weit wie möglich" bei Sport Schuster integriert werden. Den Mitarbeitern bei Karstadt Sports hingegen droht die Arbeitslosigkeit. Das bestätigten mehrere Verkäuferinnen und Verkäufer.

Wie sich die Zukunft des Konkurrenten Sport Scheck gestalten wird, jenem Sporthaus, das vor gut einem halben Jahr von René Benko gekauft und ein Teil von Galeria Karstadt Kaufhof wurde, ist noch unklar. Es gibt Vermutungen, dass das Geschäft in die dann frei werdende Immobilie von Karstadt Sports ziehen könnte. Damit die Räumlichkeiten im Pschorr-Haus gegenüber in der Fußgängerzone mit Gewinn weitervermietet werden können. Der bestehende Mietvertrag ließe eine Untervermietung wohl zu. Der Apple-Konzern habe bereits Interesse angemeldet, heißt es. Das sind bisher nur Spekulationen aus gut unterrichteten Kreisen. Sicher ist aber: Das Gesicht der Münchner Fußgängerzone wird sich in den nächsten Jahren weiter verändern. Von Käufern wie von Arbeitnehmern wird ein hohes Maß an Flexibilität abverlangt, damit die Umsätze für die Unternehmen stimmen.

Einen Tag nach Bekanntgabe der Schließung von Sport Münzinger zeigt sich Flori Schuster, Senior-Chef des familiengeführten Sporthauses an der Rosenstraße, gefasst, aber auch traurig. Er spricht von einer Entscheidung, die sehr, sehr schwer gefallen sei. Die geschäftliche Lage sei auch vor Corona schon eine schwierige gewesen. Überhaupt sei die Situation in der Innenstadt nicht besonders rosig. Bereits seit anderthalb Jahren habe man mit Vertretern verschiedener Lieferanten immer wieder am runden Tisch gesessen und an einer Neuausrichtung gefeilt. Mehr jugendliche Sportmode wollte man künftig präsentieren. "Aber die Entwicklungen in diesem Jahr haben uns die Luft zum Atmen genommen", bekennt Schuster, so dass man nun die Reißleine gezogen habe.

Die schlechte Bilanz ist nicht nur die Folge eines Virus, sondern hat auch mit der abnehmenden Begeisterung vieler Fußballfans zu tun. Bei Münzinger hat man in den vergangenen Jahren vor allem auf den beliebten Ballsport gesetzt. Freizeitkicker wissen: Die Auswahl an Stollenschuhen ist hier so groß wie nirgendwo in München. Und beraten wird man auch nicht schlecht. Außerdem findet man in vielen Größen und Varianten die Trikots vom FC Bayern, von Mitkonkurrenten der Bundesliga und der Champions League. "Beim Fußball drückten die Vorkommnisse der Vergangenheit auf die Emotion", sagt Schuster. Das ist fein formuliert.

Münzinger und Karstadt Sports: Die Verkäufer von Karstadt Sports müssen sich ab Herbst neue Arbeitsplätze suchen.

Die Verkäufer von Karstadt Sports müssen sich ab Herbst neue Arbeitsplätze suchen.

(Foto: Sebastian Gabriel)

Tatsache ist, dass die Fans zunehmend nicht mehr bereit sind, so viel für die kostspieligen Kunststoff-Leiberl auszugeben. Der Verkauf bei Münzinger sei stark eingebrochen. Die "zerfaserten" Fußballwochenenden, dazu die jahrelangen Querelen bei Fifa und Uefa, das Bild der Nationalmannschaft bei der vergangenen Europa- und Weltmeisterschaft sowie die Entscheidung, die WM nach Qatar zu geben, all das, so Flori Schuster, habe sehr geschadet. "Man sieht sich als Fan nicht mehr im Fokus." Dass seit Monaten die Touristen fehlen und der FC Bayern einen Steinwurf entfernt eine Erlebniswelt plant, sind weitere Gründe für die Schließung.

Der umfangreiche Umbau von Sport Schuster vor einigen Jahren habe sie nicht in den Ruin getrieben, sagt Schuster. Statt der geplanten 15 Millionen Euro hat man wohl etwa 22 Millionen Euro investiert. Schuster sieht seinen Familienbetrieb, in dem mittlerweile zwei seiner drei Söhne mitarbeiten, mit dem neuen Haus bestens aufgestellt, die Corona-Krise zu überstehen. Weiterhin werde man aber den Online-Handel intensivieren. Ursprünglich sei ein Umsatzanteil von sieben bis zehn Prozent angedacht gewesen.

Vielleicht ist das zu wenig, um den Umsatz zu steigern und der Konkurrenz standzuhalten. Decathlon, der Sportriese aus Frankreich, drängt nach München. Dort liege der Online-Umsatzanteil bei mehr als 20 Prozent - mit stark steigender Tendenz, erfährt man aus der deutschen Firmenzentrale in Plochingen. Anders als beim Benko-Konzern findet man hier Ansprechpartner, die Fragen beantworten.

Münzinger und Karstadt Sports: Eingang zum Sporthaus Schuster in der Münchner Innenstadt: Ende November musste das Tochterunternehmen Sport Münzinger, das älteste Sporthaus Münchens, schließen.

Eingang zum Sporthaus Schuster in der Münchner Innenstadt: Ende November musste das Tochterunternehmen Sport Münzinger, das älteste Sporthaus Münchens, schließen.

(Foto: Sebastian Gabriel/OH)

Drei Filialen gibt es in München. Seit 2016 im Stachus-Untergeschoss, 2019 eröffnete je ein Laden im Mona-Center und an der Schwanthalerhöhe. Im Vergleich zu Schuster, der vor allem auf Alpin- und Laufsport setzt, hat Decathlon ein breit gefächertes, durch Eigenmarken günstiges Angebot. Nach eigenen Angaben bieten die Franzosen Geräte und Kleidung für 100 Sportarten, die Flori Schuster mit dem Ausdruck "Tönnies-Ware" deklassiert. "Wer einmal mit schlechter Ausrüstung auf dem Berg war, kommt danach gern zu uns", meint er. Aufgrund der geografischen Lage setzt man bei Decathlon in der Region ebenso auf Berg- wie auf Rad- und Wassersport. Und das mit Nachdruck.

Schon am 16. Juli wird eine Filiale in Erding eröffnen. Kurz darauf folge dann ein weiteres Geschäft in der Münchner Innenstadt, erfährt man von Decathlon. Im Elisenhof, gegenüber dem Hauptbahnhof, wird man sich auf zwei Etagen mit zirka 3000 Quadratmetern breitmachen. An mangelnder Sportlichkeit der Münchner und dem Willen, sich dafür auszurüsten, dürfte es also nicht liegen, dass bekannte Sportläden bald aus dem Stadtbild verschwinden. Auch dass bei Sport Scheck immer weniger Verkäufer zu finden sind, hat nicht viel mit dem Bedarf zu tun. Vor vier Jahren seien noch fast 400 dort gewesen, sagt Dominik Datz, Gewerkschaftssekretär von Verdi. Für ihn sei das alles eine Schmierenkomödie im Hause Benko. "Es geht nicht allein um Wirtschaftlichkeit. Es geht um Immobilien."

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