HSV:Einstürzende Altbauten

Hamburger SV: HSV-Spieler Jeremy Dudziak and Joel Pohjanpalo gegen Sandhausen

Wieder nicht aufgestiegen: Der HSV bleibt zweitklassig.

(Foto: Focke Strangmann/Pool via Getty)

Der Hamburger SV hätte die Voraussetzungen für höchstes Renommee im Fußball. Doch Tradition und Millionen sind zu wenig, wenn andere die besseren Ideen haben.

Kommentar von Peter Burghardt

Am meisten leidtun kann einem beim HSV wieder einmal Uwe Seeler, noch dazu erholt er sich gerade von einem Sturz und der folgenden Operation seiner Hüfte. Dabei steht sein rechter Fuß nach wie vor felsenfest vor dem Volksparkstadion. Aus Bronze, umringt von Fußabdrücken anderer Helden von einst. Felix Magath, Kevin Keegan, Horst Hrubesch und so weiter. Fotos, auf denen sie alle Trophäen stemmen, hängen im Treppenhaus der Arena, damit niemand vergisst, was für eine Nummer der Hamburger SV mal war. Deutscher Meister, Europapokalsieger - Stolz der Hansestadt, die Weltstadt sein will.

Der HSV hätte viel, um in der Champions League zu spielen: große Geschichte, treues Publikum, eine reiche Metropole und einen noch reicheren Mäzen, den Milliardär Klaus-Michael Kühne. Der HSV braucht nicht mal einen Ölscheich, um Geld zu verprassen, Onkel Kühne rettet ihm sogar den Namen des Volksparkstadions. Bis zum Abstieg vor zwei Jahren war der HSV der einzige ewige Bundesligist.

Tradition und Millionen reichen nicht, wenn Ideen fehlen

Der HSV spielte schon in Liga eins, als der FC Bayern aus München noch in der Regionalliga antrat. Jetzt sind die Bayern zum achten Mal hintereinander Meister geworden, und ihre zweite Mannschaft darf nur deshalb nicht aus Liga drei zum HSV in Liga zwei aufsteigen, weil das für zweite Mannschaften halt nicht erlaubt ist.

Der frühere Erstliga-Dino wird ein drittes Jahr zweitklassig bleiben und hat soeben ein Finale hingelegt, das sich Komiker kaum hätten ausdenken können. 1:5 gegen Sandhausen, für Hamburger ein Inbegriff der Provinz. Daheim, vor Seelers Bronzefuß. Schütze des fünften Sandhauser Tores: Dennis Diekmeier, der 2018 mit dem HSV abgestiegen war und in seiner gesamten Profilaufbahn exakt zwei Mal getroffen hat. Dabei hätte dem HSV ein Remis gereicht, um in die Relegation gegen Werder Bremen zu torkeln.

Zwei Entscheidungsspiele gegen den Nordrivalen wären peinlich genug gewesen, mit möglicherweise noch peinlicheren Folgen. Aber das Debakel gegen Sandhausen geht als größte Blamage in der HSV-Chronik durch, in der sich unter anderem zweimal ein 0:8 (2015 und 2017) und ein 2:9 (2013) gegen den FC Bayern finden, den Rivalen von einst.

Wahrscheinlich gibt es auf der ganzen Welt keinen anderen Verein, der dermaßen unter seinen Möglichkeiten durchtaucht wie der HSV. Vermutlich würden selbst argentinische Psychoanalytiker an diesem Fall verzweifeln, hierzulande ließe sich grundsätzlich erstens feststellen: Der Druck und die Vergangenheit mit der Raute im Emblem sind vielen Spielern und Trainern zu schwer, in entscheidenden Sekunden versagen die Nerven. Zweitens: Tradition und Millionen sind zu wenig, wenn andere bessere Ideen haben.

Der HSV ist ja beileibe nicht der einzige einstürzende Altbau im deutschen Fußballland. Siehe TSV 1860 München, 1. FC Nürnberg, 1. FC Kaiserslautern oder in Ansätzen derzeit Schalke 04. Wer einmal absteigt, der kriegt nicht automatisch im übernächsten Jahr die Schale wie weiland Otto Rehhagels FCK, der inzwischen insolvente FCK. Wenn schon viel Geld ausgeben, dann wenigstens mit Konzept wie bei RB Leipzig. Das Gegenmodell zum aufgeregten HSV oder zu Schalke 04 heißt ansonsten SC Freiburg. Dieser führt stabilen, effektiven Konterfußball vor und erweckt den Eindruck, als habe er seit seiner Gründung 1904 nur zwei Trainer gehabt: Volker Finke und Christian Streich. Oder es heißt 1. FC Heidenheim, dessen Trainer Frank Schmidt seit 2007 ein kompaktes Team aufbaut, das jetzt statt des HSV gegen Werder Bremen um den Aufstieg in die Bundesliga spielt. Zum Vergleich: Der HSV wechselte in 13 Jahren 19 Mal den Trainer.

Auch die Routine von Dieter Hecking half nichts, als es brenzlig wurde. Und auch der junge Sportchef Jonas Boldt hat bisher keine wesentlich bessere Bilanz als seine vielen Vorgänger. 2008 hätte der HSV übrigens einen interessanten Trainer bekommen können, er hatte gerade Mainz 05 verlassen. Jürgen Klopp war den Hamburger Entscheidern aber zu flapsig - und seine Jeans hatte Löcher. Der HSV nahm Martin Jol. Klopp ging nach Dortmund und lässt sich heute in Liverpool feiern, während Zweitligist HSV 1:5 gegen Sandhausen verliert.

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