Corona-Fälle in Fleischbetrieben:"Erschreckend" und "fahrlässig"

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Das Logo und der Schriftzug der Firma Tönnies leuchten an einem Gebäude des Fleischwerks Tönnies. (Foto: David Inderlied/dpa)

Als bei Webasto Anfang des Jahres die ersten Corona-Fälle in Deutschland auftraten, reagierte das Unternehmen schnell. Nun kritisiert Webasto-Chef Holger Engelmann den Umgang mit dem Virus in den Tönnies-Fleischbetrieben scharf.

Von Thomas Fromm und Gianna Niewel

Der Vorstandsvorsitzende des bayerischen Autozulieferers Webasto, Holger Engelmann, reagiert mit scharfer Kritik und Unverständnis auf den massenhaften Corona-Ausbruch in der ostwestfälischen Großschlachterei Tönnies. "Die explosionsartige Ausbreitung des Virus im Landkreis Gütersloh finde ich persönlich erschreckend", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Man wisse "schon seit Monaten, mit welchen Maßnahmen wir andere schützen können. Diese nicht zu beherzigen, ist fahrlässig und befeuert die schnelle Ausbreitung von Covid-19".

Webasto, ein Hersteller von Autodächern, Heizungen und Batterien sowie Ladestationen für Elektroautos, war Anfang des Jahres in die Schlagzeilen geraten, nachdem sich ein Mitarbeiter in der Zentrale in Stockdorf bei München bei einer chinesischen Kollegin mit dem Corona-Virus infiziert hatte. Die Corona-Fälle bei Webasto im Januar und Februar gelten als die ersten in Deutschland. Im Laufe weniger Tage wurden bei dem Unternehmen Infektionsketten geprüft, Mitarbeiter getestet und ein Großteil der Angestellten am Standort Stockdorf ins Home-Office geschickt.

"Auch wenn die Strukturen in der Fleischindustrie nicht mit denen in unserer Branche vergleichbar sind und auch noch nicht klar ist, wie und wo genau sich so viele Personen so rasch anstecken konnten", sagt Engelmann an die Adresse des Unternehmers Clemens Tönnies: "Unternehmenslenker haben eine Fürsorgepflicht gegenüber den Menschen, die für sie arbeiten - das ist ethisch selbstverständlich und auch arbeitsrechtlich verankert." Jeder Unternehmer müsse "ein Interesse haben, seinen Betrieb ökonomisch am Laufen zu halten, und dies ist nur mit gesunden Mitarbeitern möglich".

Engelmann kritisiert vor allem ein seiner Meinung nach zu langes Zögern in Rheda-Wiedenbrück: "Nach den ersten positiv getesteten Arbeitern" hätte das Unternehmen "sofort reagieren, Mitarbeiter aufklären, Kontaktpersonen testen und in Abstimmung mit den Behörden alle Hebel in Bewegung setzen müssen, um die Infektionskette zu unterbrechen". Auf diese Weise, sagt der Webasto-Chef, "hätte man den Lockdown einer ganzen Region vermutlich verhindern können".

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