Fleischindustrie:Sozialdemokraten empört über Gabriels Beraterjob

Ehemaliger SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel

"Schande für Deutschland" - so kritisierte Sigmar Gabriel 2015 die Fleischindustrie. In diesem Frühjahr hat er allerdings Branchenführer Tönnies gegen Honorar beraten.

(Foto: Wolfgang Kumm/dpa)

Der frühere SPD-Chef kassierte monatlich 10 000 Euro für eine Tätigkeit beim umstrittenen Fleischkonzern Tönnies. Niedersachsens Ministerpräsident Weil nennt das "befremdlich und peinlich".

Von Boris Herrmann, Berlin, und Kristiana Ludwig, Gütersloh

Offenbar sind die Arbeitsbedingungen bei der Firma Tönnies doch nicht ganz so schlecht. Jedenfalls nicht für alle. Während die größtenteils osteuropäischen Arbeitskräfte für Billiglohn Tiere im Akkord zerlegen müssen, hat der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel mit dem Fleischkonzern einen anscheinend ziemlich attraktiven Deal ausgehandelt: Für Beratungsleistungen soll er 10 000 Euro Pauschalhonorar pro Monat sowie zusätzlich einen vierstelligen Betrag für jeden Reisetag erhalten haben. Sehr deutlich über dem Mindestlohn also.

Gabriel war seit März 2020 bis mindestens Ende Mai 2020 für Tönnies tätig, er bestätigte entsprechende Informationen des ARD-Magazins "Panorama". Allerdings habe er seine Tätigkeit bei Tönnies inzwischen "aufgrund einer schwierigen Erkrankung" beendet.

Was mag Gabriel im Rahmen dieser Tätigkeit wohl getan haben? Kämpfte er intern für die Abschaffung der Werkverträge? Oder für die Einhaltung des 1,50-Meter-Abstandes in der Werkskantine wegen der Corona-Krise? Nichts davon. Gabriel sagte, er habe das Unternehmen im Rahmen von drohenden Exportproblemen im Zusammenhang mit der afrikanischen Schweinepest beraten.

Führende Sozialdemokraten kritisierten das Engagement ihres früheren Chefs bei Tönnies, Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) nannte es "befremdlich und peinlich". Gabriel verteidigte sich gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Es gebe weder ein rechtliches Problem noch einen Interessenkonflikt. In seiner Funktion als Bundeswirtschaftsminister hatte Gabriel allerdings Anfang 2015 die Wohn- und Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie noch als "Schande für Deutschland" bezeichnet - und 2020 lässt er sich vom Branchenführer gut bezahlen.

Firmenchef Clemens Tönnies soll Gabriel Anfang 2015 nach dessen Generalkritik in das Werk in Rheda-Wiedenbrück eingeladen und ihn persönlich durch die Produktion geführt haben. Im Anschluss gab der damalige Vizekanzler eine Pressekonferenz. Er sei unglaublich beeindruckt von Tönnies' Erfolgsgeschichte, zitiert ihn die Rheda-Wiedenbrücker Lokalzeitung. Auch wenn Werkverträge Probleme mit sich bringen würden: "Andernorts wären wir froh, wenn wir solche Bedingungen vorfinden würden", sagte Gabriel demnach.

Dabei dürfte er bei seinem Besuch in Ostwestfalen nicht nur die Vorzeige-Arbeiter gesehen haben. Denn Gabriel habe damals auch im Wohnzimmer von Inge Bultschnieder gesessen, die eine Bürgerinitiative gegen die schlechte Behandlung von Werkvertragsarbeitern gegründet hat, erzählt sie. Er habe "super interessiert" gewirkt an ihren Geschichten über die Arbeiter, habe gefragt, ob sie ihre Handschuhe selbst bezahlen müssten und ob sie ihre Arbeitszeit ordentlich abstempeln. Auch Bultschnieder gab der Lokalzeitung hinterher ein Interview. Gabriels "Kampfansage stimmt positiv", sagte sie.

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Ex-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD)

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:Gabriel war Berater bei Tönnies

Der frühere SPD-Vorsitzende erhielt laut einem Medienbericht pauschal 10 000 Euro im Monat für seine Tätigkeit. Es ging um den Absatz in China.

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