Tabakwerbeverbot:Späte Einsicht bei der Union

Tabak-Werbeverbote

Insbesondere auf junge Menschen wirkt die Tabakwerbung. Sie zu verbieten, war überfällig.

(Foto: dpa)

Als letztes EU-Land beschließt Deutschland ein umfassendes Tabakwerbeverbot. Das ist richtig und wichtig, kommt aber viel zu spät. Schuld daran ist vor allem die Unionsfraktion.

Kommentar von Robert Roßmann, Berlin

Mehr als zehn Jahre wurde darüber diskutiert. In allen anderen EU-Staaten gibt es bereits ein derartiges Verbot, nur in Deutschland ging nichts voran. Doch damit ist es jetzt vorbei. Es ist zwar nur ein Zufall, aber ein glücklicher: Pünktlich zum Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft hat der Bundestag ein umfassendes Tabakwerbeverbot beschlossen - die Zeit, in der Deutschland in diesem Bereich europäisches Schlusslicht war, geht damit zu Ende.

Die Corona-Krise zeigt gerade, wie wichtig staatliches Handeln beim Gesundheitsschutz ist. Im Umgang mit Tabakprodukten war der Staat jedoch viel zu lange viel zu nachlässig. Es ist noch keine 20 Jahre her, dass Nichtraucher am Arbeitsplatz von morgens bis abends von rauchenden Kollegen eingenebelt werden durften. Nicht einmal in Krankenhäusern war das Qualmen verboten. Auch der Nichtraucherschutz in Gaststätten musste hart erkämpft werden. Dabei sterben in Deutschland jährlich 120 000 Menschen an den Folgen des Rauchens - das sind 40 Mal so viel Tote wie im Straßenverkehr.

Tabakkonsum ist der größte vermeidbare Krebsrisikofaktor unserer Zeit. Und laut Deutschem Krebsforschungszentrum gibt es einen kausalen Zusammenhang zwischen Tabakwerbung und einem erhöhten Tabakkonsum. Wäre dem nicht so, würde die Tabakindustrie nicht so viel Geld in die Werbung stecken. Allein für die Außenwerbung auf Plakatwänden und an Haltestellen gibt sie jährlich knapp 100 Millionen Euro aus. "Die Außenwerbung auf Plakaten hat Einfluss auf das Rauchverhalten, insbesondere bei Jugendlichen", heißt es auch im jüngsten Drogenbericht der Bundesregierung.

Es ist deshalb richtig, dass die Außenwerbung jetzt verboten wird. Und dass das Werbeverbot auch für alle Filmvorführungen gelten soll, die für Minderjährige freigegeben sind. Das Verteilen von Gratisproben wird außerhalb von Fachgeschäften, etwa bei Festivals, ebenfalls untersagt. Genauso wichtig ist, dass der Bundestag in das Verbot die Werbung für Tabakerhitzer und E-Zigaretten einbezogen hat. Beides wurde unter Jugendlichen in den vergangenen Jahren immer beliebter. Die Aromenvielfalt erleichtert den Einstieg ins Rauchen.

Rückgriff auf Friedrich Schiller

Umso ärgerlicher ist es, dass das Verbot erst jetzt kommt. Im Jahr 2016 hatte der damals zuständige Bundesminister Christian Schmidt bereits einen Gesetzentwurf vorgelegt, die Bundesregierung hatte ihn auch beschlossen. Doch dann ist der Entwurf in der Versenkung verschwunden. Wenn man Schmidt heute nach den Schuldigen fragt, paraphrasiert er Friedrich Schiller: "Spät kommt ihr, doch ihr kommt - allein die vielen Interessen entschuldigen euer Säumen."

Für dieses "Säumen" ist vor allem die Unionsfraktion verantwortlich. Ihr langjähriger Chef Volker Kauder hatte das Werbeverbot erfolgreich blockiert. Das lag nicht nur am Wirken der Tabaklobby. Kauder hat argumentiert, wer einmal den Weg hin zu Werbeverboten einschlage, werde auch bei anderen Produkten - zum Beispiel Zucker - nur noch schwer gegen Verbote sein können.

Er hat dabei verkannt, dass sich Tabakerzeugnisse von den meisten anderen legal beworbenen Produkten grundlegend unterscheiden. Denn fast keines davon ist schon beim bestimmungsgemäßen Gebrauch derart gesundheitsschädlich wie Tabakprodukte. Mit Verspätung hat das jetzt auch die Unionsfraktion eingesehen.

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