Medizin:Ein Lob dem Hausarzt

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Eine Medizinerin untersucht einen Patienten. (Foto: Maurizio Gambarini/dpa)

Er ist das Rückgrat der Krankenversorgung - und nicht ihr Bodensatz. Die Universitätsmedizin sollte das endlich verstehen.

Kommentar von Werner Bartens

Wer in Deutschland Medizin studiert hat, kennt diese Heldengeschichten: Der Professor erzählt den Studierenden, wie er durch Scharfsinn und beherztes Handeln einen Patienten in letzter Minute retten konnte.

Die Symptome hätten seit Tagen bestanden, die Diagnose sei auf den ersten Blick klar gewesen, doch der Kranke kam viel zu spät in die Klinik, weil der Hausarzt nicht eins und eins zusammenzählen konnte. Ein Hoch auf die Universitätsmedizin, mitleidiges Lächeln über die Ignoranten in der Hausarztpraxis.

Das Image der Hausärzte innerhalb der Medizin verbessert sich langsam

Eine gewisse Überheblichkeit der Uniklinik-Doktoren gegenüber Kollegen, die sich niedergelassen haben, lässt sich auch später oft beobachten. Arztbriefe aus der Klinik, die eigentlich den Hausarzt informieren sollen, wie sein Patient im Krankenhaus behandelt wurde und welche weiteren Schritte sinnvoll wären, sind häufig unverständlich, praxisfern oder kommen Monate nach der Entlassung des Patienten an.

Rückfragen werden nicht oder nur unzureichend beantwortet. Die Folge sind Funkstille oder Missverständnisse statt interdisziplinären Austauschs; zum Schaden der Patienten.

Nun gibt es schlechte Ärzte in Unikliniken, Kreiskrankenhäusern wie in Praxen. Fachliche Fehler, charakterliche Mängel und schlechter Stil sind nicht auf den Arbeitsplatz (und nicht auf die Medizin) begrenzt. Doch gerade Hausärzte und niedergelassene Ärzte anderer Facharztrichtungen verdienen mehr Anerkennung. Sie bilden das Rückgrat der Krankenversorgung - und nicht ihren Bodensatz.

Das zeigt sich in vielen Bereichen. So stieg zu Beginn der Corona-Pandemie die Zahl der Hausbesuche im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 13 Prozent. Die Hausärzte waren es, die ihre Berufsbezeichnung beim Wort nahmen und jenen Kranken, die ihr Haus nicht verlassen konnten , neben medizinischer Versorgung viel Zeit, Verständnis und Zuwendung zukommen ließen.

Erhebungen der vergangenen Jahre zeigen denn auch, dass die Ausbildung zum Allgemeinmediziner in vielen Bundesländern die häufigste Facharztwahl war, dicht gefolgt von jener zum Internisten, von denen wiederum viele später als Hausärzte arbeiten.

Das Image der Hausärzte innerhalb der Medizin verbessert sich langsam, und die Tätigkeit als Allgemeinmediziner wird für junge Ärzte interessanter; fast die Hälfte der Medizinstudierenden kann sich diesen Weg vorstellen. Für die meisten Patienten ist der Hausarzt sowieso der wichtigste Ansprechpartner. Doch längst fehlen in vielen Regionen die Hausärzte. Höchste Zeit also, die Allgemeinmedizin auch an den Universitäten zu stärken.

Vor 20 Jahren hatten nicht mal die Hälfte der Medizinfakultäten entsprechende Abteilungen. Das hat sich gebessert, doch zumeist handelt es sich um Nischeninstitute, die schlecht ausgestattet sind. Die größte Facharztdisziplin wird von der universitären Medizin noch immer schäbig behandelt.

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