Ausstellungen:Messe mit Maske

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Mit passender Maske zeigt dieses Model Brautmode auf der Messe. Bei der Trauung werden wohl viele Paare den Mund-Nasen-Schutz weglassen. (Foto: Tang Ying/imago)

Zum ersten Mal seit Ausbruch der Corona-Pandemie bewerben Aussteller wieder ihre Produkte in einer Messehalle - unter Auflagen. Der Branche sind Milliarden entgangen.

Von Benedikt Müller-Arnold, Essen

Um halb elf ertönt in der Messehalle erstmals Geigenmusik von der Platte. Auf dem kurzen Laufsteg des Brautkleidherstellers MS Moda wechseln sich vier Models ab. Einen meterlangen Catwalk samt Menschentraube kann die Fachmesse "European Bridal Week" diesmal nicht bieten. Stattdessen sitzen die Zuschauer an kleinen Tischen, mit Abstand zueinander. Die Models tragen Mund-Nase-Schutz, jeweils passend zur Spitze ihrer Kleider.

Die Fachmesse für Brautmode, die für drei Tage in Essen gastierte, hat gute Chancen, ein Unikum in 2020 zu bleiben. London und Rom: abgesagt. Mailand und Barcelona: bangen um Termine im Herbst. Vor allem aber ist die "Bridal Week" die allererste Messe, die seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie wieder hierzulande stattfand. "Wir spüren, dass gerade die ganze Branche auf Essen blickt", sagt Oliver Kuhrt, Messechef der Ruhrgebietsstadt: Internationale Veranstalter, auch fernab der Modebranche, schauten sich an, unter welchen Auflagen eine Fachmesse mit mehr als 1000 Besuchern stattfinden kann. Dazu zählt etwa, dass Besucher zwischen den gut 100 Ständen der "Bridal Week" durch meterbreite Gänge laufen. Nur wer sich setzt, etwa in der streng umzäunten Sektbar, darf seinen Mundschutz abnehmen. Händeschütteln ist verboten. Und für Modenschauen wie bei MS Moda schrieb der Veranstalter größere Umkleiden als in den Vorjahren vor: Die Models sollen auch hinter dem Laufsteg Abstand halten, während sie von der glitzernden A-Linie auf das Modell Meerjungfrau mit floraler Spitze und Ärmelchen wechselten.

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Das Schutzkonzept, das sich die Messe von den Behörden genehmigen ließ, gibt einen Vorgeschmack, unter welchen Bedingungen Messen wieder aufleben könnten - und damit ein bedeutender Wirtschaftszweig: 2019 zählten hiesige Messen insgesamt 9,9 Millionen Besucher, heißt es vom Ausstellungs- und Messe-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft (Auma). Alle Messehallen dieser Republik sind zusammen so groß wie knapp 400 Fußballfelder. Doch: Braucht es diese Paläste in Zukunft noch?

Seit dem Ausbruch der Pandemie wurden hierzulande schon gut 160 Messen abgesagt oder verschoben, heißt es vom Auma. Die Branche fürchtet den gravierendsten Einschnitt seit der Nachkriegszeit. Die Kölner Messe gab am Montagabend bekannt, das weitere fünf für den Herbst geplante Messen nun doch nicht vor Ort stattfinden werden. Die ausstellenden Firmen hätten sich "weitgehend gegen die Teilnahme" entschieden, erklärt die Koelnmesse. Man rechne nun mit Umsatz- und Gewinneinbußen "in dreistelliger Millionenhöhe". Auch die Messe Essen werde, so Geschäftsführer Kurth, "in diesem Jahr etwa 15 Millionen Euro an Ergebnis verlieren". Mit den Messegesellschaften leiden auch Messebauer und Caterer, Hotels und Restaurants sowie die Verkehrswirtschaft. Insgesamt seien diesen Branchen Einnahmen von zwölf Milliarden Euro entgangen, schätzten der Auma und das Ifo-Institut zuletzt. Nicht eingerechnet sei da der indirekte Wirtschaftsfaktor, indem Firmen Neuheiten präsentieren, Kontakte pflegen und Aufträge einheimsen können.

Wohl und Wehe der Branche hängen nun auch von der Politik ab. Seit Mai entscheiden jeweils die Bundesländer, unter welchen Bedingungen sie Messen erlauben. Während Bayern und Baden-Württemberg noch grübeln, sind Messen etwa in Nordrhein-Westfalen seit Ende Mai wieder unter Auflagen erlaubt. Die wohl folgenschwerste: Pro Messebesucher sind dort mindestens sieben Quadratmeter Ausstellungsfläche vorzuweisen.

Dies ist bei Fachmessen wie der "Bridal Week" freilich leichter einzuhalten als bei Verbrauchermessen wie etwa der Essen Motor Show, die im November trotz Corona stattfinden soll.

Der Hochzeitsmoden-Messeveranstalter United Fairs aus den Niederlanden schrieb vor, dass jeder Teilnehmer vorab angeben musste, wann er die Messe betreten wird. Wer zu kurzfristig einen begehrten 30-Minuten-Slot für die Ankunft reservieren wollte, erhielt Absagen: "Dieses Zeitfenster ist ausgebucht", meldete die Webseite. Beschäftigte scannten die Besucher bei Ein- und Austritt. Falls ein Teilnehmer positiv auf Corona getestet werden sollte, kann der Veranstalter alle Menschen informieren, die zeitgleich in der Halle waren.

Doch werden Messen unter diesen Umständen überhaupt wieder auf das Niveau vor Corona zurückkehren? Dagegen spricht vorerst, dass viele internationale Konzerne ihren Beschäftigten noch keine Messeteilnahmen erlauben. Einige Firmen kündigen an, dass sie künftig allgemein mit weniger Dienstreisen auskommen wollen. In der Modewelt haben viele Hersteller ihre Kollektionen zuletzt im Internet präsentiert, Catwalks online übertragen.

Auch für nächstes Jahr erwartet die Messe Essen 25 bis 30 Prozent weniger Geschäft als vor der Krise

Andererseits können Besucher einer echten Messe beispielsweise Stoffe anfassen und persönlich mit Geschäftspartnern sprechen. Zudem setzt die Branche darauf, dass weltweit mehr und mehr Grenzen öffnen; auch der Luftverkehr legt wieder zu.

Der Essener Messechef Kurth sorgt sich nach eigenem Bekunden nicht, dass Corona die grundsätzliche Bedeutung von Messen tangieren werde. Doch glaubt er, auch 2021 Abstriche machen zu müssen. "Ich schätze, dass sich bei uns und in Messedeutschland das Veranstaltungsvolumen im kommenden Jahr um etwa 25 bis 30 Prozent reduziert", so Kurth. "Es wird wohl zwei bis drei Jahre dauern, bis die Messewirtschaft wieder auf dem Rekordniveau von vor der Corona-Krise ankommen wird." Vorausgesetzt, die Lockerungen der Länder bleiben bestehen, erwartet der Verband Auma in den restlichen Monaten dieses Jahres noch etwa 140 Messen hierzulande. Für das kommende Jahr zählt der Zusammenschluss knapp 350 geplante Messen. Allerdings erwartet auch der Auma, dass die Zahl der Teilnehmer in vielen Fällen nicht die gewohnten Größenordnungen erreichen wird. Und bei United Fairs hoffen sie, dass die Aussteller der nächsten Brautmodenmesse wieder mehr und größere Laufstege werden aufbauen dürfen - idealerweise mit Models ohne die merkwüdige Maske vor dem Mund.

© SZ vom 07.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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