Maskenpflicht-Debatte:Ignoranz ist ein gefährlicher Ratgeber

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In einem Geschäft in Stralsund in Mecklenburg-Vorpommern erinnert ein Schild daran, Mund und Nase im Laden zu bedecken. (Foto: dpa)

Man muss nicht alles klug finden, was im Kampf gegen Corona beschlossen wurde. Die Maskenpflicht in Geschäften aber bleibt sinnvoll. Und zwar gerade, um andere Lockerungen zu ermöglichen.

Kommentar von Stefan Braun, Berlin

Harry Glawe ist als CDU-Politiker bislang nicht wirklich eine große Nummer gewesen. Ja, er ist Wirtschaftsminister in Mecklenburg-Vorpommern, und das schon seit neun Jahren. Aber in den prägenden Debatten, ob im Land oder gar darüber hinaus, ist er bislang nicht vorgekommen. So gesehen hat der CDU-Mann am Wochenende nachgeholt. Sein offenes Plädoyer, die Maskenpflicht in Geschäften und Boutiquen abzuschaffen, ist bundesweit zum Thema geworden.

Noch unklar freilich ist, ob ihm das auf Dauer recht sein wird. Denn so unbekannt er bislang gewesen ist, so hanebüchen ist es, die Maskenpflicht beim Einkauf in Geschäften und Boutiquen schon jetzt wieder in Frage zu stellen. Es hat in der Geschichte dieses Corona-Jahres 2020 schon manch merkwürdige Öffnungs- und Lockerungsdebatte gegeben. Aber diejenige, die Glawe losgetreten hat, gehört zu den absurdesten von allen.

In der Politik ist jeder seines Glückes Schmied und hat die Freiheit zu allen möglichen Vorschlägen. Wenn Glawe glaubt, die Aufhebung der Maskenpflicht könne ihm oder auch dem Handel wirklich helfen, dann ist das sein Recht. Aber er darf dann nicht mehr damit rechnen, bei diesem Thema ernst genommen zu werden. Und das aus drei Gründen.

Erstens ist das Tragen einer Maske zwar nicht angenehm, aber angesichts der Gefahren, die Corona in jeder Sekunde neu auslösen kann, ein wahrlich kleines Übel.

Zweitens geht es nicht darum, dass das Einkaufen wieder ermöglicht werden müsste. Im Gegenteil ist nur durch die Maskenpflicht eine gewisse Lockerung gerade im Handel überhaupt wieder vertretbar geworden. Das zu ignorieren, weil manche Einzelhändler es für ihre Kunden und sich selbst gerne noch bequemer hätten, ist kein wirtschaftspolitischer Coup, sondern eine gesundheitspolitische Dummheit.

Die Maskenpflicht ist keine Strafe

Und drittens kommt gerade bei der Maskenpflicht noch etwas hinzu: Sie ist keine Strafe, sondern ein Zeichen dafür, dass mir als Kunden oder Händler die Gesundheit des anderen am Herzen liegt. Bislang nämlich schützen die meisten Masken nicht ihren Träger, sondern alle anderen. Wichtig ist weniger, was durch meine Maske bei mir passiert. Wichtig ist, die anderen vor Ansteckung zu schützen, sollte ich das Virus in mir tragen.

Daran zu erinnern, und zwar immer wieder, hätte auch dem Wirtschaftsminister eines Bundeslandes gut zu Gesicht gestanden. Dass Glawe das alles weniger wichtig fand als seinen tatsächlichen Vorstoß gegen die Maskenpflicht, sagt denn auch wenig über alle anderen aus, aber viel über ihn.

Gut ist es deshalb, dass seine eigene Ministerpräsidentin Manuela Schwesig sich schnell von der Idee distanziert hat. Erst vor einer Woche hatte das Land die Verlängerung der Maskenpflicht bis Ende August beschlossen. Dass Glawe ein paar Tage später den eigenen Beschluss in Frage stellt, ist schon eine ganz besondere Art, für Verwirrung zu sorgen. Das kann er womöglich nicht mal sich selbst gut erklären.

Noch mehr zu denken geben könnte Glawe aber der Auftritt des Bundesgesundheitsministers. Jens Spahn hat am Montag noch einmal deutlich gemacht, wie wenig die Pandemie bezwungen und also die Gefahr gebannt ist. Deutlicher hätte Spahn die gefährliche Sorglosigkeit seines Parteikollegen gar nicht offenlegen können.

Nein, die Pandemie ist nicht vorbei. Im Gegenteil wächst gerade jetzt, da viele Menschen in den Urlaub reisen, das Gefühl, dass das Erinnern daran wieder wichtiger geworden ist. Wie sehr das selbst seine eigene Partei umtreibt, konnte Glawe am Montag gut studieren.

Beim Treffen von Präsidium und Bundesvorstand der CDU machten viele Teilnehmer deutlich, wie groß ihre Sorge ist, dass die Menschen alle Vorsicht fahren lassen könnten. In der Sitzung klagten einige, dass sich mancher schon benehme, als sei Corona für immer verschwunden. Glawe könnte sich da durchaus selbst angesprochen fühlen.

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